Intelligente Lüftungssysteme für eine höhere Behaglichkeit

Bessere Luft – auch im Winter

Text: Jean-Benoit Schüwer | Foto (Header): © Christian Hillebrand – stock.adobe.com

Lüftungsanlagen sorgen unbestritten für frische Luft in den Räumen. Gerade in den Wintermonaten gibt es jedoch Klagen über zu geringe Luftfeuchtigkeit. Das kann sowohl die Behaglichkeit der Bewohner beeinträchtigen, als auch zu Problemen bei der Innenausstattung, z. B. bei Holzböden, führen. Wie lässt sich das vermeiden?

Auszug aus:

EnEV Baupraxis
Fachmagazin für energieeffiziente Neu- und Bestandsbauten
Ausgabe Januar / Februar 2018
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Der Hochbaubereich bewegt sich in Deutschland nach wie vor auf einem hohen Niveau. So wurden 2016 fast 278.000 Wohnungen fertigstellt. Auch für 2017 ist aufgrund des anhaltenden hohen Bedarfs eine ähnlich hohe Anzahl an Wohnungsneubauten zu erwarten. Ein Großteil dieser Wohnungen wird im Rahmen des KfW-Programms Energieeffizient Bauen (153) gefördert. Um die damit verbundenen hohen energetischen Anforderungen zu erfüllen, ist im Verbund mit anderen Maßnahmen der Einsatz eines zentralen oder dezentralen Lüftungssystems mit Wärmerückgewinnung (WRG) ein probates Mittel. Dabei spielt die günstigste Bewertung des Lüftungsgeräts, resultierend aus der Kombination des Wärmerückgewinnungsprozesses mit einer raumweisen Bedarfsführung (Senkung des Anlagen-Luftwechsels), in der energetischen EnEV-Bilanzierung des Wohngebäudes eine große Rolle.

Weiterhin bietet ein Lüftungssystem entscheidende Vorteile in der Sicherstellung des notwendigen Luftwechsels in der immer dichter werdenden Bauweise von neu errichteten oder energetisch sanierten Wohnungen.

Diese Notwendigkeit wurde zuletzt erneut durch eine Umfrage unter den Mitgliedern des Fachverbands Luftdichtheit im Bauwesen (FLiB) belegt. Im Rahmen der nach EnEV-Abschlussmessungen durchgeführten Luftdichtheitsmessungen beträgt die im Schnitt ermittelte Luftwechselrate pro Stunde (n50-Messung) einen Wert von 1,0 h-1 in Mehrfamilienhäusern bzw. 0,9 h-1 in Einfamilienhäusern. Die Messwerte liegen weit unter den geforderten Maximalwerten nach EnEV (wobei der EnEV-Wert von 3,0 h-1 kein Maßstab für luftdichtes Bauen ist). Bedenkt man, dass eine n50-Messung von 1,0 h-1 (gemessen bei 50 Pa Druckdifferenz) unter realen Bedingungen einen Luftaustausch von ca. 0,1 h-1 (Annahme: Fassadenunterdruck von 5 Pa.) bedeutet, so ist es nachvollziehbar, dass die Lüftungsverantwortung immer häufiger an ein mechanisches Lüftungssystem mit WRG übergeben wird.

Solche Systeme sorgen bei fachgerechter Planung und Montage für eine Erhöhung des Wohnkomforts und stellen den hygienisch notwendigen Luftwechsel jederzeit sicher. Bei ungeregelten und nicht bedarfsgeführten Lüftungssystemen klagen jedoch nicht selten Nutzer und Betreiber über eine zu trockene Innenraumluft in der kalten Jahreszeit. Negative Folgen sind eine Reizung der Schleimhäute, der Augen, der Atemwege und damit verbunden das Risiko eines geschwächten Immunsystems. Darüber hinaus können auch Schäden an der Bausubstanz oder der Wohnungseinrichtung, wie bspw. Risse im Parkettfußboden, beobachtet werden. Dies alles ist selbstverständlich weniger den Lüftungssystemen, als einem bekannten physikalischen Prinzip beim Luftaustausch geschuldet. Kalte Außenluft, welche eine niedrigere absolute Luftfeuchte als die Raumluft aufweist, kann mit Eintritt in die Wohnungseinheit und der darauffolgenden Erwärmung Feuchte aufnehmen und damit die resultierende Raumluftfeuchte absenken. Selbstverständlich verursacht der Nutzer der Wohnung durch seine Aktivität (kochen, duschen, atmen) Feuchtelasten, die den Feuchtigkeitsgehalt wieder ansteigen lassen, doch reichen diese im Winter oftmals nicht aus, um eine empfohlene Raumluftfeuchte von 40 bis 60 % zu erreichen. Folgendes konkretes Beispiel, das h,x–Diagramm nach Mollier veranschaulicht den Prozess: Bei einem Außenluftzustand von 0 °C , einer relativen Außenluftfeuchte von 75 % und einem Luftwechsel von n = 0,5 und der damit verbundenen Feuchteanhebung von durchschnittlich 2 g Wasser/kgtr. Luft durch die Bewohner bei einer Raumtemperatur von 20 °C resultiert der dargestellte Prozess mit einer relativen Raumluftfeuchte von 33 %. Es wird deutlich, dass bei der klassischen konstanten Nennlüftung die empfohlene Raumluftfeuchte trotz der Berücksichtigung des menschgemachten Feuchteeintrags nicht erreicht wird. Durch immer größer werdende Wohnflächen pro Kopf und zahlreiche Zu- und Ablufträume (ca. 3 bis 4 Ablufträume in einer 4-Zimmer-Wohnung) besteht die Gefahr eines vom Bedarf losgelösten Anlagenluftwechsel im Winter und damit der unerwünschten überhöhten Senkung der Raumluftfeuchtigkeit.

Klassische Maßnahmen wie Wasserdepots an Heizungen oder elektrisch betriebene Befeuchtungsgeräte mit Verneblern oder Zerstäubern können diese unerwünschten Raumluftkonditionen in den wenigsten Fällen vollständig vermeiden helfen. Die optimale Luftfeuchtigkeit ist nur schwer zu erreichen und die Gefahr einer Verkeimung durchaus gegeben. Anders stellt es sich beim Einsatz von modernen Lüftungssystemen dar. Hier können unterschiedliche innovative Strategien zur Erhaltung der Luftfeuchtigkeit angewendet werden.

Die erste ist der Einsatz eines Lüftungssystems mit einer raumweisen Bedarfsermittlung des tatsächlich benötigten Luftwechsels. Idealerweise orientiert sich diese Bedarfserfassung an einer relevanten Führungsgröße wie der relativen Luftfeuchtigkeit und/oder der CO2-Konzentration der Luft (diese zwei Führungsgrößen sind im Zuluftbereich einer Wohnung in der Regel korreliert).

Die zweite Strategie ist die Integration einer Feuchterückgewinnung. So wird aus der abzuführenden Abluft die enthaltene Feuchtigkeit entzogen und der Zuluft zurückgeführt. Als letzte aufwendigste Strategie bleibt die aktive Luftbefeuchtung der Außenluft im Lüftungsgerät, die in der Menge der Realisation bislang hauptsächlich der gewerblichen Lüftung vorbehalten ist.

 

Reduzierung des Luftwechsels im Winter?

In der kalten Jahreszeit reichen geringere Luftmengen aus, um die in der Wohnung erzeugten Feuchtelasten abzutransportieren. Somit kann zur Einhaltung eines für die Bausubstanz und die Gesundheit erforderlichen Raumluftfeuchtebereichs der Anlagenluftwechsel im Winter reduziert werden.

Zahlreiche Lüftungssysteme gehen allerdings nicht auf den tatsächlichen gemessenen Frischluftbedarf ein, sondern fördern unabhängig davon die gleichen Luftmengen, welche alle Betriebsfälle abzudecken haben und damit zwangsläufig zu einer überhöhten Absenkung der relativen Raumluftfeuchte in den Wohnungen führt. Das Fraunhofer Institut für Bauphysik hat schon 2011 diese Korrelation untersucht. Verglichen wurden damals für ein Einfamilienhaus die durchschnittliche relative Raumluftfeuchte während der gesamten Heizperiode für eine bedarfsgeführte und eine konstant laufende Zu- und Abluftanlage mit WRG. Das Ergebnis war, dass gerade in den kältesten Monaten die sich einstellende Raumluftfeuchte um ganze zehn Prozentpunkte niedriger als bei Verwendung einer bedarfsgeführten (Feuchteerfassung) Lüftungsanlage ist.

Beim Einsatz eines bedarfsgeführten Lüftungssystems werden die Luftmengen durch eine permanente und raumweise Erfassung des tatsächlichen Bedarfs an die Nutzung und Belegung einer Wohnung angepasst. So wird bspw. der Abluftvolumenstrom im Bad erhöht, wenn dort gerade geduscht wird. Oder der Zuluftvolumenstrom wird tagsüber automatisch im Kinderzimmer gesenkt, wenn sich das Kind in der Schule befindet und es somit zu keiner Erhöhung des Frischluftbedarfs in diesem Raum kommt. Durch die genau definierten Luftmengen werden nicht nur die Lüftungswärmeverluste im Gebäude minimiert, sondern auch die Luftqualität (relative Raumluftfeuchte und CO2-Konzentration) trotz Betriebsoptimierung gesichert.

Hierbei wird, ohne zusätzlichen Enthalpie-Wärmeübertrager im Lüftungssystem, der Feuchtigkeitsgehalt ausschließlich durch optimierte Zonenregelung (raumweise Anpassung der Zu- und Abluftströme) und Luftmengenregulierung auf einem gesundheitlich unbedenklichen und angenehmen Niveau gehalten und gleichzeitig die Bausubstanz gewahrt.

Bedarfsgeführte Lüftungssysteme bieten auch den weiteren Vorteil der Verringerung der Filterverschmutzung. Die Standzeiten der Filter verlängern sich bei gleichen Bedingungen im Vergleich zu konstanten Zu- und Abluftsystemen auf die doppelte Lebensdauer. Das wiederum senkt den Strömungswiderstand und damit den Stromverbrauch der Ventilatoren.

 

Strategie der Feuchterückgewinnung

Unter Feuchterückgewinnung wird das Anreichern der durch einen Wärmeübertrager erwärmten Zuluft verstanden. Hier wird Wasserdampf dem Luftstrom zugefügt und erhöht somit den Feuchtegehalt der Luft. Die Art des verwendeten Wärmeübertragers hat einen ganz entscheidenden Einfluss auf die Weise, wie die Feuchterückgewinnung realisiert wird. Grundsätzlich werden bei Zu- und Abluftsystemen mit WRG zwei Arten von Wärmeübertragern verwendet: regenerative oder rekuperative.

Regenerative Wärmeübertrager zeichnen sich dadurch aus, dass der warme Abluftstrom und der kalte Außenluftstrom zeitlich versetzt ein und dieselbe Oberfläche berühren. Umgesetzt wird dies mittels rotierenden Speichermedien oder wechselweise beaufschlagten, stationären Speichermedien, wie bspw. Keramiken. Diese Art der Wärmeübertrager ermöglichen durch geeignete Oberflächenbeschichtungen die Wasserdampfsorption, angetrieben über die Oberflächentemperaturdifferenzen, zu betreiben. Bei rotierenden Speichermedien kann über die Rotationsgeschwindigkeit Einfluss auf die Höhe der Feuchterückgewinnung genommen werden, wobei jedoch auch immer die Wärmerückgewinnung mit beeinflusst wird. Stationäre Speichermedien erlauben einen Einfluss über die Zeitspanne zwischen den Wechselbeaufschlagungen der Luftrichtung, jedoch ebenfalls verbunden mit einer Beeinflussung der Wärmerückgewinnung.

Allen regenerativen Wärmeübertragern ist gleich, dass sie zur Feuchterückgewinnung den Wassergehalt in der Abluft nutzen. Neben den sorptiven Wärmeübertragern besteht auch die Möglichkeit einen Teil der Feuchte durch Verdunstung des Kondensats bei regenerativen Wärmeübertragern ohne sorptive Funktion zu bewerkstelligen. Durch Überschreiten der Sättigungsgrenze der Abluft beim Erwärmen des Wärmeübertragers entsteht Kondensation, die entsprechend anteilig durch den erwärmten Außenluftvolumenstrom aufgenommen und in den Wohnbereich rücktransportiert wird.

Rekuperative Wärmeübertrager stellen die zweite Klasse unter den Wärmeübertragern dar. Hierbei berühren sich die Medien unterschiedlicher Temperatur nicht, sondern sind durch eine Trennschicht voneinander getrennt (dazu gehören auch Enthalpiewärmeübertrager). Diese Trennschicht kann aus einem Polymer bestehen und muss sowohl bei der Wärme- als auch der Feuchterückgewinnung überwunden werden. Für die Feuchterückgewinnung, die einen Stofftransport von Wasser bedingt, ist es daher notwendig, dass eine semipermeable Membran verwendet wird, die Wassermolekülen den Übergang von der Abluftseite hin zur Zuluftseite ermöglicht. Dieser Übergang bedient sich einem Konzentrationsgefälle und ist daher nicht direkt beeinfluss- oder regelbar. Hierbei findet ein Wärme- und Feuchtetransfer sowohl im Sommer als auch im Winter statt und kann nur mittels eines separaten Bypass bei Bedarf umgangen werden.

Die Feuchterückgewinnung über Wärmeübertrager von Lüftungsgeräten wird als passive Luftbefeuchtung bezeichnet, wohingegen die aktive Luftbefeuchtung den Einsatz von Hilfselementen, bspw. elektrisch betriebene Raumluftbefeuchter, beinhaltet. Der Vorteil der passiven Feuchterückgewinnung liegt darin, dass keine weiteren Gerätschaften benötigt werden und es sich relativ einfach mit bedarfsgeführten Wohnungslüftungsanlagen kombinieren lässt. Aktive Feuchterückgewinnung ermöglicht hingegen einen größeren Einfluss auf die Höhe und den Ort der Feuchterückgewinnung, wobei zusätzliche Anschaffungs- und Betriebskosten entstehen.

Die Wahl des passenden Baumaterials kann den Feuchtehaushalt innerhalb einer Wohneinheit ebenfalls maßgeblich beeinflussen.

So stellen bspw. Materialien wie Lehm und offenporiges Holz einen Feuchtepuffer dar. Sie nehmen wie ein Schwamm Feuchtigkeitsspitzen auf und geben diese wieder zurück an die Raumluft. Ob bei einem Einsatz von rekuperativen oder regenerativen Wärmeübertragern: Die Menge an Feuchte, die wieder gewonnen werden kann, hängt im speziellen von der in der Wohneinheit vorliegenden Grundfeuchtigkeit ab. Somit ist die resultierende Feuchte nur in gewissen Grenzen beeinflussbar.

 

Fazit

Durch die dichte Bauweise und den immer häufigeren Einsatz von Lüftungssystemen ohne reelle Bedarfserfassung (zentrale Luftmengensteuerung an einem Panel, Einstellung von Tellerventilen bei Inbetriebnahme) wurden in der Praxis nicht selten zu trockene Luftfeuchtigkeitswerte im Winter beklagt. Dazu kommt, dass der Nutzer einer Wohnung selten in der Lage ist, den Lüftungsbedarf selbst zu erkennen und dementsprechend den Anlagenluftwechsel anzupassen.

Eine Erfassung des Lüftungsbedarfs in jedem einzelnen Raum einer Wohnung ermöglicht, dank Messsensoren und Motorenstellungen, eine permanente Anpassung der  Anlagenluftwechselrate. Dadurch wird in der Regel im Winter der Luftwechsel gesenkt und die Raumluftfeuchte bleibt auch bei kalten Tagen auf einem hygienisch unbedenklichen Niveau.

Neben dieser Strategie besteht die Möglichkeit der Feuchterückgewinnung über den Wärmeübertrager von Lüftungssystemen. Hier nutzen regenerative Wärmeübertrager den Wassergehalt in der Abluft. Beim Einsatz von rekuperativen Wärmeübertragern ermöglicht eine semipermeable Membran, den Übergang der Wassermoleküle von der Abluftseite hin zur Zuluftseite. Bei Feuchterückgewinnung über den Wärmeübertrager ist stets der hygienische Aspekt einer potenziell möglichen Keimbildung kritisch zu prüfen.

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