Energiemanagementsysteme im Wohngebäude

Eigenstrom optimiert nutzen

Redaktionelle Bearbeitung: Jona Kron | Quelle: HEA-Broschüre „Energiemanagementsysteme“ | Foto (Header): © leowolfert – stock.adobe.com

Das Erreichen der Klimaziele und das Voranschreiten der Energiewende hängen maßgeblich davon ab, wie erneuerbare Energien erzeugt, gespeichert und genutzt werden. Im Wohngebäude ermöglichen Energiemanagementsysteme die effiziente Nutzung dezentral erzeugter, volatiler erneuerbarer Energien, indem sie alle Stromverbraucher, Anlagen und technischen Komponenten zu einem gesamtheitlichen System vernetzen.

Auszug aus:

GEG Baupraxis
Fachmagazin für energieeffiziente und ressourcenschonende Neu- und Bestandsbauten
Ausgabe März / April 2023
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Home Energy Management Systems (HEMS) dienen in Wohngebäuden meist der Optimierung des Eigenverbrauchs von selbst erzeugtem Photovoltaik(PV)-Strom. Betrachtet werden im Folgenden Komponentenkonstellationen mit den einhergehenden Tageslastgängen, die grafisch aufbereitet wurden. Grafik 2 zeigt einen beispielhaften Tagesverlauf eines Haushaltsverbrauchs (hellblau) und des selbst erzeugten PV-Stroms (gelb). Bei dem Beispiel handelt sich um einen sonnigen Tag, an dem die PV-Anlagen durchgehend Strom erzeugen. Das Haushalts-/Verbrauchsprofil entspricht dabei einer typischen Familie mit berufstätigen Eltern und schulpflichtigen Kindern. Charakteristisch sind Lastspitzen in den Morgen- und Abendstunden sowie ein geringer Strombedarf ab dem Vormittag bis zum frühen Nachmittag. Im abgebildeten Fall kann ein Großteil des erzeugten PV-Stroms nicht genutzt werden, da zur Spitzenerzeugungszeit am Mittag der Strombedarf gering ist. Bei üblichen, wirtschaftlich sinnvollen PV-Anlagengrößen lassen sich so über das gesamte Jahr etwa 30 bis 40 % des eigenen Stromverbrauchs durch die Solar-Anlage decken. Der erreichte Autarkiegrad ist dabei abhängig vom Lastprofil, der Ausrichtung der Paneele sowie dem Verhalten der Bewohner.

 

PV mit Batteriespeicher und HEMS

Aufbauend auf der vorherigen Darstellung wird nun ein System mit einem Batteriespeicher betrachtet. Er kann überschüssigen PV-Strom speichern und bedarfsgerecht zur Verfügung stellen. Grafik 3 zeigt beispielhaft, wie ein geladener Speicher teilweise die Versorgung des Hauses in Zeiten einer PV-Unterdeckung (Erzeugung – Verbrauch < 0) übernimmt. Er ist gegen 11:30 Uhr vollständig geladen, sodass es am Nachmittag zu einer Netzeinspeisung des erzeugten PV-Stroms kommt.

Nach altem EEG-Recht und der damit gesetzlich vorgeschriebenen Wirkleistungsbegrenzung der PV-Anlage musste diese zur Mittagszeit auf 70 Prozent gedrosselt werden. Die Drosselung ist in der Grafik durch einen schwarzen Balken dargestellt. Über das Jahr gingen so im gezeigten Beispielhaushalt etwa sieben Prozent des theoretisch erzeugbaren PV-Stroms durch die Wirkleistungsbegrenzung verloren.

Seitdem zum 01.01.2023 das EEG 2023 in Kraft getreten ist, müssen sich nur noch Bestandsanlagen mit einer installierten Leistung von über 7 kW an die alten Regelungen halten. Für neue Systeme bis einschließlich 25 kWp installierter Leistung wurde die technische Vorgabe, ihre Wirkleistungseinspeisung auf 70 Prozent zu begrenzen oder sie alternativ mit einer Steuerungseinrichtung auszustatten, komplett abgeschafft. Auch bei Bestandsanlagen bis 7kWp wurde die 70-Prozent-Regelung aufgehoben, was künftig die erzeugbare PVStrommenge entsprechend erhöht.

 

PV mit Batteriespeicher und Lastverschiebung

Bei dem vorliegenden Lastprofilbeispiel kann angenommen werden, dass die Verbrauchsspitze von 18 bis 19 Uhr durch einen Aufheizvorgang des Warmwasserspeichers verursacht wurde. Ist der Warmwasserspeicher der Anlage ausreichend groß dimensioniert, könnte die Ladung ohne Komfortverlust in die sonnenreiche Zeit verschoben werden. Grafik 4 auf der folgenden Seite zeigt auf, wie eine Lastverschiebung durch die smarte Steuerung von großen elektrischen Verbrauchern den Eigenverbrauch selbst erzeugten Stroms steigern kann. Aufgrund der Verschiebung durch ein HEMS lässt sich der PV-Strom anstelle einer Netzeinspeisung direkt vor Ort nutzen. Zudem wird die Energie für den Aufheizvorgang nicht mehr aus dem Batteriespeicher entnommen. Abhängig von Nutzungszeiten können auch Ladevorgänge von Elektrofahrzeugen sowie Strombedarfe von Haushaltsgroßgeräten verschoben werden.

 

SG Ready-Wärmepumpen

Wärmepumpen bieten – abhängig vom energetischen Standard des Gebäudes – ein Lastverschiebepotenzial. Geräte mit einem SG Ready-Label („Smart Grid-Ready“) verfügen bereits über eine definierte Schnittstelle, über die sich die Wärmepumpe flexibel schalten lässt. Die Schnittstelle der Wärmepumpe kann dabei vom Netzbetreiber genutzt werden, um den Betrieb der Wärmepumpe zugunsten der Netzstabilität zu verschieben. Alternativ kann auch ein HEMS auf die Wärmepumpenschnittstelle zugreifen, z. B., um den PV-Eigenverbrauch zu maximieren. Über die SG Ready-Schnittstelle können per Definition vier verschiedene Betriebszustände vorgegeben werden:

• Betriebszustand 1: Sperrzeit (für maximal zwei Stunden)
• Betriebszustand 2: Energieeffizienter Normalbetrieb
• Betriebszustand 3: Verstärkter Betrieb (oder auch Einschaltempfehlung)
• Betriebszustand 4: Definitiver Betrieb

Die Tabelle (Abb. 5) zeigt die Auswirkungen auf die Eigenverbrauchsquote, wenn eine SG Ready-Schnittstelle genutzt wird. Das Potenzial hängt im Wesentlichen von dem Warmwasserbedarf in der sonnenreichen Zeit bzw. der Solarstrahlung in der Zeit mit hohem Warmwasserbedarf ab. Die Musterrechnung basiert auf einem Jahresstromverbrauch von 4.000 kWh und einer 6 kWp PV-Anlage mit einem 6 kWh Batteriespeicher.

 

E-Mobilität mit Eigenstrom

Nutzt der Haushalt ein Elektroauto, steigt der Strombedarf: Bei 12.000 km Jahresfahrleistung und 20 kWh/100 km durchschnittlichem Verbrauch entspricht der Mehrbedarf etwa 2.400 kWh elektrischer Energie im Jahr.

Ungeregeltes und ungesteuertes Laden des Elektroautos
Beim ungeregelten/ungesteuerten Laden wird das Elektroauto mit der maximal verfügbaren Leistung (begrenzt durch Wallbox und E-Auto meist 3,7 bis 11 kW) geladen. Dabei kann abhängig vom Zeitpunkt des Ladevorgangs und gleichzeitig verfügbarer PV-Leistung ein Anteil PV-Strom in das Fahrzeug geladen werden. Ein Großteil der Energie wird jedoch aus dem Stromnetz bezogen (s. Grafik 6).

Solarer Ladevorgang
Ist ein Gebäude mit einer PV-Anlage ausgestattet, lohnt eine Abstimmung des Ladevorgangs mit der erwarteten PV-Leistung und der geplanten Abfahrtszeit, um einen möglichst großen Teil des Ladestroms selbst zu erzeugen. Man spricht von einem „solaren Ladevorgang“, wenn das Elektroauto primär mit PV-Überschussstrom geladen wird. Damit das Fahrzeug zur geplanten Abfahrtszeit fahrbereit ist, sollte das HEMS den geplanten Zeitpunkt kennen und das Fahrzeug kurz vor der Abfahrt unabhängig von der verfügbaren PV-Leistung nachladen. Weitere Optimierungen sind möglich, wenn sich der Ladevorgang an der geplanten Fahrstrecke orientiert. Für Fahrer von Elektroautos, die tagsüber mit dem Fahrzeug nicht zu Hause sind, kann ein Batteriespeicher sinnvoll sein, um den über den Tag gespeicherten PV-Strom abends in das Automobil umzuladen. Betreibt man ein PV-Speichersystem mit einer Wallbox, ist es ratsam, die maximale Ladeleistung der Box auf die Leistung des Batteriewechselrichters einzustellen, damit beim Laden mit Batteriestrom nicht zusätzlich Strom aus dem Netz nötig ist.

70-Prozent-Regel
Um eine lokale Überlastung des Stromnetzes zu vermeiden, wurde mit dem EEG 2012 die 70-Prozent-Regel eingeführt. Vor allem an sonnenreichen Tagen zur Mittagszeit in Regionen mit vielen PV-Anlagen kommt es durch diese zu Erzeugungsspitzen. Die 70-Prozent-Regelung hatte das Ziel, diese Mittagsspitze zu begrenzen, um einer Überlastung des lokalen Stromnetzes vorzubeugen. Im alten § 9 EEG stand dazu, dass ab einer Anlagenleistung von 7 kWp eine Möglichkeit zur Fernsteuerung vorgeschrieben ist. Alternativ konnten kleine Anlagen bis 25 kWp mit einer Begrenzung der Wirkleistungseinspeisung auf 70 Prozent der installierten Leistung ausgestattet werden. Das wurde im einfachsten Fall durch den PV-Wechselrichter umgesetzt, der statisch die maximale Erzeugungsleistung begrenzt. Hatte man einen Speicher zur Verfügung, konnte man diesen so steuern, dass er zur Mittagszeit ausreichend freie Kapazität hat, um die Mehrleistung, die sonst abgeregelt wurde, aufzunehmen. Bei einer dynamischen Einspeisebegrenzung berücksichtigte der Wechselrichter auch die aktuell im Haus benötigte Leistung und regelte so nicht die Erzeugung, sondern die Einspeisung, um der 70-Prozent-Regel gerecht zu werden. Mit dem EEG 2023 ist nun die 70-Prozent-Regel für Anlagen bis 25 kWp weggefallen. Für Altanlagen wurde die 70-Prozent-Regelung bis 7 kWp seit 01.01.2023 aufgehoben. So sollen Solaranlagen künftig mehr Strom einspeisen können.

Literaturtipp
Bei der Planung und Installation von Energiemanagementsystemen ist aufgrund der Vernetzung unterschiedlicher Erzeuger und Verbraucher ein gewerkeübergreifendes Konzept nötig. Das erfordert den Informationsaustausch und das gegenseitige Verständnis aller Beteiligten. Hierfür bietet die Broschüre „Energiemanagementsysteme“ der HEA – Fachgemeinschaft für effiziente Energieanwendung e.V. Hilfestellung und zeigt die Möglichkeiten der smarten Vernetzung von Technologien, wie PV, Stromspeicher, Wärmepumpe und Elektroauto, auf. Eine Marktübersicht fasst gängige Systeme mit den einhergehenden Schnittstellen zusammen. Die Broschüre steht kostenlos zum Download bereit unter www.hea.de/themen/gebaeude-energie/energiemanagementsysteme-hems

Redaktionelle Bearbeitung:

Jona Kron
Quelle: HEA-Broschüre „Energiemanagementsysteme“

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