Energie sparen mit Elektrochromie

Clevere Gläser

Text: Sandra Hoffmann | Foto (Header): © top images – stock.adobe.com

Strom als Sonnenschutz? Elektrochromie machts möglich. Bei Bedarf wandeln ent­sprechende Gläser ihre Optik von transparent in blau und halten so ein „Zuviel“ an Wärme und Blendung vom Innenraum fern. Umgekehrt lassen die automatisch schalt­baren Scheiben auch möglichst viel Solarenergie ins Gebäude fallen, wenn es etwa darum geht, die Heizung zu unterstützen. Im Vergleich zu herkömmlichem Sonnen­schutz senken sie den Heiz- und Klimatisierungsenergiebedarf jedoch, ohne dabei den Lichtkomfort im Gebäude zu beeinträchtigen.

Auszug aus:

GEG Baupraxis
Fachmagazin für energieeffiziente und ressourcenschonende Neu- und Bestandsbauten
Ausgabe März / April 2024
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,,Elektrochromie“ nennt Wikipedia das Phänomen, dass Moleküle und Kristalle ihre optischen Eigenschaften durch ein äußeres elektrisches Feld oder einen Stromfluss ändern können. Grundlage hierfür bildet die Beeinflussung von Elektronenzuständen. Diese Zusammenhänge machen sich auch Glashersteller zunutze, indem sie ihre Produkte mit Beschichtungen versehen, die sich mithilfe schwacher elektrischer Spannungsimpulse von transpa­rent – je nach Produkt stufenlos – bis hin zu dunkelblau färben lassen. Abhängig vom Grad der Dimmung absorbieren elektro­chrome Gläser einen mehr oder weniger großen Teil des Sonnen­lichts und transformieren ihn in langwellige Wärmestrahlung. Diese wiederum wird von der Wärmeschutzschicht im Isolierglas reflektiert, damit sie nicht in den Raum dringen und ihn v. o. im Sommer nicht zu stark aufheizen kann. Zudem verringert die Dimmung Blendeffekte, während gleichzeitig der Blick noch draußen frei bleibt. Im Winter hingegen gewährleistet das nicht aktivierte Glas bei wenig Sonnenschein eine möglichst hohe Lichttransmission.

Eine solche dynamische oder tönbore Sonnenschutzisolierverglo­sung besteht prinzipiell aus mindestens zwei, besser drei Schei­ben. Zum Gebäudeinneren hin sitzt die wärmegedämmte Glas­platte, außen die elektrochrome Einheit. Sie ist als Verbundglas ausgebildet, bestehend aus zwei Glasscheiben mit elektro­chromer Beschichtung (z. B. Wolfram/Keramik oder Polyonilin), einem transparenten Leiter, einer Ionen-leitenden Polymerfolie und einer Gegenelektrode. Wie ein Sandwich umhüllt dabei der transparente Leiter die elektrochrome Schicht, den Ionenleiter und die Gegenelektrode. Das Ganze ist mit einer elektrischen Zuleitung sowie einer Steuereinheit verbunden und im Normal­zustand ist die elektrochrome Einheit transparent. Wird jedoch an den transparenten Leiter eine geeignete Gleichspannung ange­legt, wandern Lithium-Ionen durch die Polymerfolie hindurch und verfärben die elektrochrome Schicht blau.

Strom benötigt das System nur zur Ein- bzw. Entfärbung, d. h. wird die Spannung weggenommen, verbleibt das Glas in seiner aktuellen Farbe. Es wird erst wieder transparent, wenn wieder Spannung angelegt und die Stromrichtung umgekehrt wird. Da Strom also nur während des Schaltvorgongs fließt, beläuft sich sein Verbrauch laut Herstellerangaben auf weniger als 2 W /m2. Die Steuereinheit schlägt mit einer Anschlussspannung von 24 V zu Buche.

 

Abdunkelung und Steuerung

Die Abdunkelungsdauer der Gläser variiert von Hersteller zu Hersteller und liegt zwischen sieben und 20 Minuten – allerdings auch abhängig von Scheibengeometrie, -größe und Außentemperotur. Niedrige Grade an der Außenscheibe verlängern z. B. die Schaltzeit. Longe Schaltzeiten sind jedoch v. o. dann von Vor­teil, wenn der Nutzer den Tönungsvorgong möglichst nicht be­merken soll. Gesteuert werden entsprechende Systeme meist automatisch, sie lassen sich ober manuell per Schalter, Fernbe­dienung, App oder Sprache übersteuern. Dank Elektrifizierung sind elektrochrome Gläser leicht in Gebäudeoutomotionssyste­me integrierbar. Ein Sensor registriert dann etwa das Maß der Sonneneinstrahlung und steuert entsprechend Nutzervorgaben den Sonnen- und Blendschutz – und damit auch den Energiever­brauch – geräuschlos direkt über die Gläser; Sonnenschutzmoß­nohmen, wie Jalousien oder Store, entfallen damit ebenso wie deren Reinigung und Wartung. Das Steuerungssystem lässt sich auch so programmieren, dass den ganzen Tag über eine kon­stante Beleuchtungsstärke im Raum herrscht.

Generell ist jedes Glas einzeln und als Gruppe steuerbar und je noch Produkt kann der Nutzer unterschiedliche Tönungszonen definieren. Die Tönung kann dann von oben noch unten oder von unten noch oben verlaufen, um genau dort vor zu viel Son­neneinstrahlung zu schützen, wo es nötig ist. Entsprechende Funktionalitäten bietet z. B. ,,SogeGloss Hormony“ von SogeGloss. Die hundertprozentige Soint-Goboin-Tochter dürfte in Deutschland der bekannteste Hersteller elektrochromer Glä­ser sein21. Zu jedem Projekt liefert der Hersteller auch das zuge­hörige Steuerungssystem „Symphony“, das vorab gecustomized – also auf die jeweiligen individuellen Anforderungen – abge­stimmt wird und sich sowohl als eigenständige Lösung nutzen, als auch in ein Gebäudemanagementsystem integrieren lässt. Herzstück eines solchen Steuerungssystems ist ein modellbasier­ter, durch Sensoren aktivierter Prognosealgorithmus, der bei SogeGloss „Maestro“ heißt. Gestützt auf projektspezifische Ein­gangsdaten und Echtzeit-Messwerte von Außensensoren steuert er die Scheiben automatisch so, dass Energieverbrauch und Nutzerkomfort eine möglichst optimale Schnittmenge bilden. Wichtige Steuerungsparameter sind hierbei u. o. Fenstergrößen, Gebäudeausrichtung, Einstrohlwinkel der Sonne, Toges-/Johres­zeit und Witterungsbedingungen. Doch- und Fossodensensoren liefern zudem aktuelle Ist-Werte in puncto Temperatur und Licht­stärke. Die für eine Steuerung der Gläser nötige Verkabelung wird in den Fensterrahmen integriert.

Leistungsdaten und Charakteristika

Was die Leistungsdaten elektrochromer Gläser anbelangt, variie­ren bspw. Lichttronsmissionsgrode und g-Werte31, da der Sonnen­schutz dynamisch ist. SogeGloss gibt für seine Produkte – neben SogeGloss Hormony gibt es noch SogeGloss Clossic – eine Licht­transmission zwischen 54 Prozent und einem Prozent sowie einen g-Wert zwischen 0,37 und 0,03 im getönten Zustand an. Ein Maß für die Leistungsfähigkeit der Gläser ist ihre Selektivität. Sie ergibt sich als Quotient aus ihrer maximalen Lichttransmission (transparenter Zustand) und ihrem minimalem g-Wert (abgedunkelter Zustand). Je höher die Selektivitätskennzohl, desto günstiger das Verhältnis. Bei elektrochromen Gläsern liegt der Wert über 4. Im Vergleich dazu erreichen leistungsstarke Sonnenschutzgläser einen Wert von über 2.

Vorteile elektrochromer Sonnenschutzgläser gegenüber mechanischem Sonnenschutz

  • kontinuierlicher Sichtbezug nach außen
  • wetterunabhängiger Einsatz: dynamisches Glas funktioniert auch bei schlechten Witterungsbedingungen, wie Wind, Hagel oder Schnee, zuverlässig
  • Kosten für Reinigung/Wartung mechanischer Sonnenschutzsys­teme entfallen
  • geringe Wartungskosten/lange Lebensdauer: es gibt keine me­chanischen/textilen Verschleißteile an der Gebäudehülle
  • geräuschlose, stufenlose Verdunkelung
  • optimale Tageslichtnutzung (reduziert Bedarf an Kunstlicht)

Vorsicht: Verwechslung

Wer sich über elektrochrome Gläser informiert, landet u. a. oft auch bei „schaltbaren Gläsern“. Diese sind jedoch nicht per se synonym zu verstehen mit elektrochromen Sonnenschutzglä­sern. Der Begriff „schaltbar“ kann sich auch auf sog. LC-Gläser beziehen. Diese funktionieren zwar auch mit Strom und können Sonnenschutzeigenschaften bieten, sie kommen aber meist im Innenbereich als dynamisches Sichtschutzsystem zum Einsatz. Sie unterscheiden sich von den in diesem Artikel hauptsächlich beschriebenen Gläsern v. a. dadurch, dass sie ihre Optik beim Anlegen von Spannung statt von transparent in transparent­blau von transparent in undurchsichtig-milchig ändern.

Erhältlich sind elektrochrome Gläser in verschiedenen Formen, Größen und Konfigurationen. Sie eignen sich als Fenster, Ober­licht oder Glasfassade und ermöglichen eine puristische Archi­tektursprache. Allerdings gibt es noch nicht viele Hersteller, die entsprechende Gläser produzieren. Was die Lichtfarbe im Raum anbelangt, nennt SageGlass für sein jüngstes Produkt Harmony einen Farbwiedergabeindex von über 90 Prozent. Die Lebens­dauer aller Produkte liege bei l 00.000 Schaltzyklen bzw. rund 30 Jahren. Die elektrochrome Schicht altere dabei dank ihrer anorganischen Bestandteile nicht. Auf die Frage nach den Kos­ten für ein SageGlass-Produkt gibt das Unternehmen an, die Kosten seien abhängig von Projektgröße und Objektkomplexi­tät. Die Investitionskosten lägen meist zwischen der einer her­kömmlichen Fassade – bestehend aus ISO-Glas und außen lie­genden automatischen Raffstoren – und der einer Doppel­haut- oder Closed Cavity Fassade. Jedoch fielen die Unterhalts­kosten wesentlich niedriger aus, weshalb sich – kombiniert mit den eingesparten Energiekosten, dem Raumgewinn und dem höheren Komfort – die höheren Investitionskosten einer dynami­schen Glasfassade innerhalb von zehn bis 15 Jahren amortisie­ren würden.

 

Aktuelle Forschung

Um die Verfügbarkeit und Kosteneffizienz solcher smarten Glä­ser ebenso wie die zugehörigen Fertigungsprozesse zu verbes­sern, startete im Jahr 2019 das Verbundprojekt „Switch2Save“ (www.switch2save.eu). In dem über das EU-Forschungs- und lnnovationsprogramm „Horizon 2020″ geförderten Vorhaben, das im September 2023 endete, arbeitete das Fraunhofer-Institut für Organische Elektronik, Elektronenstrahl- und Plasmatechnik FEP mit verschiedenen Universitäten, Forschungseinrichtungen und Industriepartnern zusammen, um leichte, energieeffiziente Iso­lierglaseinheiten mit Elektrochromie- und Thermochromie-Syste­men zu realisieren. Während bei der Elektrochromie Materialien zum Einsatz kommen, die durch Anlegen elektrischer Spannung ihre Lichtdurchlässigkeit im sichtbaren und infraroten Bereich ändern, basiert Thermochromie auf Materialien, die ihre Infra­rot-Reflexionseigenschaften mit steigender Temperatur ändern. Im Projekt entwickelten die Partner Prototypen von neuartigen schaltbaren Fenstern. Projektkoordinator Dr. Matthias Fahland vom Fraunhofer FEP erklärte dazu: ,,Diese Fenster können in be­stehenden Gebäuden nachgerüstet werden und so die Energie­effizienz von Heizungs- und Klimaanlagen unterstützen. Die neue Lösung zeichnet sich dadurch aus, dass sie verschiedene Arten von optisch variablen intelligenten Beschichtungen in eine Gebäudehülle integrieren kann.“

Konkret konzipierten hierfür die Partner Chromogenics AB aus Schweden und das Fraunhofer-Institut für Silicatforschung ISC neuartige elektrochrome Beschichtungen, die es ermöglichen, ein Fenster zwischen einem dunklen und einem klaren Zustand umzuschalten. Und parallel dazu realisierten das Fraunhofer FEP sowie die Westböhmische Universität Pilsen einen Rolle-zu-Rolle­Abscheidungsprozess für thermochromes Vanadiumoxid – ein Material, das zu einer autarken Regulierung der durchgelassenen Wärmestrahlung in Abhängigkeit von der Außentemperatur führt. Dabei unterstützt die Rolle-zu-Rolle-Technologie die Ent­wicklung einer kosteneffizienten Fertigung. Beide Arten dieser intelligenten Beschichtungen – Elektrochromie wie Thermochro­mie – sind auf leichten, flexiblen Substraten, wie z. B. ultradün­nem Glas oder PET-Folien, herstellbar. Im Projekt statteten die Forschungspartner Ende 2022 zwei Gebäude mit unterschiedli­chen klimatischen Bedingungen in Griechenland und Schweden mit 50 Fenstern und 200 m2 lsolierglasfassadenfläche aus. An diesen wurde das Energieeinsparpotenzial der neuen Lösungen real eruiert und überwacht. Das ausgewählte Bürogebäude in Uppsala wurde zudem einem „Vorher-Nachher“-Vergleich des Energiebedarfs für einen gesamten Jahreszyklus unterzogen. Konkrete Ergebnisse aus diesem Projekt hat Fraunhofer auf Nachfrage vor Ablauf des Redaktionsschlusses für diesen Beitrag nicht bekannt gegeben. Wie im Frühjahr 2023 bekannt gegeben wurde, wollen die Forscher die Technologien in einem nächsten Schritt weiter aufskalieren und Projekte mit größeren Demo­standorten in den Fokus nehmen.

 

Nachrüstbare Lösungen

Ein weiteres Forschungsprojekt beschäftigt sich mit der Frage, wie sich schaltbare elektrochrome Folien einfach und kosten­günstig auf bestehende Glasflächen aufbringen lassen.“EnOB: FLEX-G 4.0 – Technologien für innovative schaltbare Folien als Nachrüstlösung für energiesparende Fenster und Glasfassaden“ heißt das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz BMWK geförderte Verbundprojekt. Seit August 2022 ko­ordiniert das Fraunhofer FEP unter der Leitung von Dr. Cindy Steiner sechs weitere Partner, um bis Ende Juli 2026 den „Stand der Technik auf Prototypenstadium“ zu bringen. Konkret geht es darum, die technologischen Grundlagen – elektrochrome Fo­lien im Labormaßstab, die im Vorgängerprojekt FLEX-G ge­schaffen wurden – im Hinblick auf eine industrielle Fertigung weiterzuentwickeln. Hauptziel dabei ist die Erforschung geeig­neter Systemdesigns und Fertigungstechnologien für großflächi­ge elektrochrome Folien zur Verarbeitung direkt auf der Bau­stelle. Zudem sollen robuste Verfahren für eine einfache Applikation dieser Folien auf Fenster und Fassaden vor Ort in Bestandsgebäuden entwickelt werden. Um die weiterentwickel­ten Folien am Ende ansteuern zu können, werden Lösungen für die netzunabhängige Energieversorgung, z. B. über Solarzellen, erarbeitet. Dazu beschäftigt sich der Projektpartner Enerthing mit lo T-Systemen, der Auslegung der Energieversorgung, den Sensortechnologien für die kabellose und automatisierte Steue­rung des Schaltzustands der Folien und der Einbindung der Sen­sorik in die bestehende Gebäudeleittechnik. Dieses System strebt eine Optimierung der Energieeinsparung an.

Die fertigen Nachrüstfolien werden in der 46. Oberschule Dres­den sowie im Neubau eines Labor- und Technikumsgebäudes des Fraunhofer FEP angebracht, um das tatsächliche Energie­einsparpotenzial zu ermitteln. Im Vorfeld dazu finden Abstim­mungen zwischen den Entwicklern des Konsortiums, der Landes­hauptstadt Dresden und der Schule statt, um die Integration der elektrochromen Folie sowie die Vereinigung dieser mit den loT­Systemen später umzusetzen. Zudem berechnet die Hochschule für Technik Stuttgart vorab per Gebäudemodellierungen, was theoretisch an Energieeinsparung möglich ist. Dazu werden die Modellierungen mit den Eigenschaften der hergestellten Nach­rüstfolien an den Schulfenstern und den Ergebnissen von Labor­messungen abgeglichen, um Verbesserungsmöglichkeiten aus­zuschöpfen. Ergänzt werden die Untersuchungen durch Betrachtungen des gesamten Produktlebenszyklus und der Kos­ten über die gesamte Lebensdauer. Insgesamt bestimmen die Projektpartner dann über zwölf Monate hinweg das Einspar­potenzial bezüglich des Kühl- und Heizenergiebedarfs in den beiden Demonstrationsgebäuden.

Schutz vor Brand und Sonne
Rund um den Bahnhof Lancy-Pont-Rouge in Genf entsteht ein urbanes Zentrum mit Büros und Gewerbeflächen, Restaurants, Wohnungen und öffentlichen Einrichtungen. Im Herzen des neuen Geschäftsviertels „Esplanade Pont-Rouge“ sitzt das „Al­to Pont-Rouge“ – ein Mixed-Use-Komplex aus vier Baukörpern unterschiedlicher Höhe, der im Erdgeschoss Geschäfte, im ersten Stock Serviceleistungen und Fitnessräume und darüber Verwaltungs- und Büroeinheiten offeriert. Insgesamt stehen auf bis zu 15 Stockwerken und drei Tiefgaragenebenen 28.000 m2 Büro- und Geschäftsfläche für das „Modern Work“-Konzept zur Verfügung. Zudem realisiert der Bauherr, die Swiss Prime Site Immobilien AG, mit dem Alto Pont-Rouge in Genf eines der ersten Gebäude, das die Zertifizierung SNBS (Standard Nachhaltiges Bauen Schweiz) 2.0 in Gold erhalten wird. Dafür sorgen neben einem auf Geothermie basierenden Heiz- und Kühlsystem u. a. auch Maßnahmen, wie ein hoher Tageslichtanteil sowie eine dynamische Verglasungslösung zum Sonnenschutz.

Das große Lichtdach, das die Architekten vom Schweizer Atelier d’architecture Brodbeck-Roulet im zentralen Atrium realisiert haben, lässt viel natürliches Hell bis in die erste Geschossebene fallen. Was die Fassade anbelangt, wählten die Planer große Fensteröffnungen. Da der Gebäudekomplex direkt an den Bahngleisen liegt und dort auch Gefahrengüter transportiert werden, musste die Außenhaut in diesem Bereich hohe Brand­schutzanforderungen erfüllen. Andererseits sollte auch bei star­ker Sonneneinstrahlung möglichst viel Tageslicht in den Raum fallen, ohne zu Blendung oder hohem Solareintrag zu führen.

Aus zwei mach eins
Die Lösung für dieses „Problem“ fand sich in einer speziellen Produktentwicklung aus den beiden Saint-Gobain-Unterneh­men SageGlass und Vetrotech. Diese Entwicklung dauerte mehr als zwei Jahre: von der Bedarfsermittlung über die Er­arbeitung interner und externer Tests, der Umsetzung in der Produktion bis hin zur Realisierung am Projekt. Insgesamt mussten die Entwickler von SageGlass und Vetrotech die Kom­patibilität aller Produkte der neuen Verglasung überprüfen, um sicherzustellen, dass sie langlebig ist und die spezifischen Brandschutznormen erfüllt, wenn sie in den spezifischen Wico­na-Rahmen eingebaut wird, der für den Schutz von Personen verwendet wird. Entstanden ist dabei das Dreifach-Isolierglas SageGlass Contraflam. Während des Projekts wurde also die ursprüngliche Fassaden­lösung des Alto Pont-Rouge – die einer doppelten Haut mit Jalousien für den Sonnenschutz und zwei Isoliergläsern (eines davon feuerfest) entsprach – zu einer Dreifachverglasung ver­einfacht. Diese kombiniert die elektrochrome Sonnenschutz­funktionalität von SageGlass (dünne Metallschichten, die auf das Glas aufgetragen werden) mit dem Brandschutz Contraflam (Verbundglas für den Brandschutz, das aus einer oder mehreren transparen­ten Gelkammern besteht). Die Gelkam­mer bildet im Brandfall einen opaken Schaum mit spezifischen Isoliereigenschaf­ten für die Klasse Ei 30. Der g-Wert des Glases bewegt sich variabel im Bereich von 0,36 bis 0,03. Gesteuert werden die Scheiben per Lichtsensoren. Dabei wird der Energieverbrauch des Gebäudes, ge­steuert nach proprietären Kontrollalgorith­men, minimiert. Bei Bedarf kann auch die Gebäudeleittechnik die Kontrolle über­nehmen, um einen Farbtonzustand nach den Bedürfnissen der Bewohner „zu er­zwingen“. Was mögliche Energieeinspa­rungen mit schaltbaren Gläsern anbe­langt, antwortet Sage-Glass: ,,Projekte, die mit SageGlass renoviert wurden, spa­ren etwa zehn bis 30 Prozent des Ver­brauchs von Kühlaggregaten ein.“ Alto Pont-Rouge wurde im Sommer 2023 in Betrieb genommen.

Die Autorin

Sandra Hoffmann

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