EU-Taxonomie und intelligente Immobilienbewirtschaftung

Gebäudeleittechnik macht smart

Text: Dipl. Ing. Christian Wild | Foto (Header): © PixAchi – stock.adobe.com

Die EU erhöht im Rahmen der Taxonomie deutlich den Druck: Unternehmen und Betreiber von Gebäuden müssen ihre Verbesserungen zur Nachhaltigkeit belegen – einfaches Energiemonitoring und -controlling reichen nicht mehr aus. Es ist höchste Zeit, Gebäude „smarter“ und damit energieeffizienter zu machen. Gebäudeleittechnik optimiert dabei den Gebäudebetrieb, reduziert den Energieverbrauch und verkleinert den CO2-Fußabdruck.

Auszug aus:

GEG Baupraxis
Fachmagazin für energieeffiziente und ressourcenschonende Neu- und Bestandsbauten
Ausgabe Juli / August 2022
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Erfassung und Überwachung des Energieverbrauchs in Gebäuden sind grundlegende Unternehmensaufgaben, um ein den Vorgaben entsprechendes ESG-Reporting1) erstellen zu können. Alle rund 15.000 Nicht-KMUs2) in Deutschland sind nach EN 16247 schon jetzt verpflichtet, regelmäßig Energieaudits durchzuführen und immer mehr werden auch ein Energiemanagement nach ISO 50001 betreiben müssen. Wenn Produktions-, Handels- und Dienstleistungsunternehmen ihren CO2-Fußabdruck nicht nur reporten, sondern auch verbessern wollen, sollten sie sich um die baldige Einführung eines Energie-/Managementsystems für den optimierten Gebäudebetrieb kümmern. Die Energieeinsparpotenziale sind groß.

Die 2020 herausgegebene Studie „Umweltfußabdruck von Gebäuden in Deutschland“, beauftragt vom Bundesinstitut für Bau, Stadt und Raumforschung (BBSR), zeigt auf, dass 40 Prozent der deutschen Treibhausgasemissionen durch die Herstellung, Errichtung, Modernisierung und den Betrieb von Wohn- und Nichtwohngebäuden verursacht werden. Eine weitere Studie der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) hat ergeben, dass bei Annahme einer 50-jährigen Nutzung etwa 65 Prozent der Treibhausgasemissionen im Betrieb von Gebäuden anfallen und etwa 35 Prozent bei Herstellung und Rückbau der Gebäude.

Auch im Energieverbrauch spiegelt sich die Situation wider: In Deutschland werden rund 38 Prozent der Primärenergie in Gebäuden verbraucht, 37 davon in Nichtwohngebäuden, also in Gebäuden der Unternehmen sowie der öffentlichen Hand.

Schon bald werden die volkswirtschaftlichen Hebel der EU und der deutschen Politik noch umfassender wirken, denn

  • eine Definition, welche Investitionen als nachhaltige Aktivität zu werten sind, ist seit 2021 in der EU-Taxonomie festgelegt.
  • das ESG-Reporting inklusive der CO2-Bilanz wird voraussichtlich ab 01.01.2023 für jedes der rund 15.000 deutschen Nicht-KMU verpflichtend und soll perspektivisch für alle Unternehmen vorgeschrieben werden.
  • Deutschland hat eine Verschärfung der Klimaschutzvorgaben beschlossen, um bis 2045 Treibhausgasneutralität zu erreichen.

Das Rating eines Unternehmens unter Einbezug des ESG-Reportings erhält damit eine zentrale Bedeutung. Unternehmen, die nicht nach EU-Kriterien nachhaltig wirtschaften, werden sich deutlich schlechter oder gar nicht mehr refinanzieren können. Im Wettbewerb werden sich also Firmen nur noch dauerhaft positionieren können, wenn sie sich in puncto Nachhaltigkeit kontinuierlich verbessern. Hier kommt auch das Thema Energieeinsparung ins Spiel. Was z. B. diesbezüglich die Potenziale eines Energie-/Managementsystems anbelangt, so liegen diese für Einkaufszentren bei 49 Prozent, für Bürogebäude und Schulen bei je 39 Prozent, für Hotels bei 25 Prozent und für Kliniken bei 18 Prozent. Zusätzlich spielt die Anpassung des Gebäudes auf neue Nutzungsszenarien, wie etwa flexible und virtuelle Teamarbeit in Büroimmobilien, eine große Rolle. Hier besteht die Notwendigkeit, Digitalisierung zu betreiben, denn die Gebäudeautomation darf keine Insel bleiben, die Daten daraus sind auch für andere Stellen und Systeme wichtig, beispielsweise für die Kostenentwicklung und -abrechnung, Raumbelegung, Steuerung des Reinigungsdienstleisters und viele mehr.

Trends und Ziele der Gebäudeautomation sind, neben den Anforderungen an die Energieeffizienz die IT-Sicherheit sowie die immer umfangreichere Erfassung, Speicherung und Auswertung von Prozessdaten aus der Immobilie. Auch immer mehr „IoT-Devices“ (Internet of Things) drängen ins Bauwerk: Wastemanagement, Indoornavigation, Arbeitsplatzbelegung, Parkplatzreservierung, Energiemessung, Ladesäulenmanagement oder IT-Überwachung. All das wird die Gebäudeautomation der Zukunft leisten können. Einsatzmöglichkeiten sind z. B. IoT-Devices, wie Mülleimer, die den Füllstand selbst überwachen, oder Sensorik in Toiletten, die meldet, wann Seife oder Papier aufgefüllt werden müssen. Die Indoornavigation, gesteuert über Bluetooth, ist Teil des Smart Office. Sie meldet die Belegung von Räumen und Arbeitsplätzen und führt Mitarbeitende entsprechend durch das Gebäude. Das alles spart nicht nur Raum und Energie, sondern optimiert auch den Einsatz von Personal.

EU-Taxonomie

Ab 2023 wird es ernst mit der nichtfinanziellen Berichterstattung − auch für KMU

Am 6. Juli 2021 hat die EU-Kommission die endgültige Fassung des Gesetzes zur Taxonomie-Verordnung veröffentlicht. Ihr Ziel ist es, den Green Deal in die Praxis zu übersetzen und genau festzulegen, welche Wirtschaftsaktivitäten als nachhaltig eingestuft werden. Im Rahmen der Taxonomie-Verordnung sind sechs Umweltziele definiert worden, von denen mindestens eines erfüllt sein muss, damit eine Unternehmensaktivität als „grün“ gilt. Die sechs Umweltziele sind:

  1. Klimaschutz
  2. Anpassung an den Klimawandel
  3. nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen
  4. Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft
  5. Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung
  6. Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme

Zu Beginn der Taxonomie-Einführung zum 1. Januar 2022 waren nur die ersten zwei Ziele relevant: Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel. Ab dem 1. Januar 2023 sind beim Reporting auch die Ziele 3 bis 6 zu beachten. Zur entsprechenden Bewertung müssen Firmen anhand des Umsatzes, der Investitionen und der operativen Ausgaben angeben, ob ihre Aktivitäten im Sinne der EU-Taxonomie-Verordnung ökologisch nachhaltig sind. Als ökologisch nachhaltig gelten Wirtschaftsaktivitäten, die

  • zu einem oder mehreren der sechs Umweltziele beitragen,
  • keines der sechs Umweltziele beeinträchtigen,
  • einen Mindestschutz erfüllen und
  • den technischen Bewertungskriterien entsprechen.

Nur wenn alle vier Kriterien erfüllt sind, gilt eine Wirtschaftsaktivität als ökologisch nachhaltig.

Nachdem große Kapitalgesellschaften schon jetzt insbesondere über Umwelt-, Arbeitnehmer- und Sozialbelange, die Achtung der Menschenrechte und Compliance-Themen berichten müssen, betrifft die Forderung nach dieser Nachhaltigkeitsberichterstattung infolge der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) der EU ab dem Geschäftsjahr 2023 auch KMU. Die Definition für KMU lautet: 20 Mio. Bilanzsumme, 40 Mio. Umsatz, weniger als 250 Beschäftigte. Es müssen nur zwei Merkmale erfüllt sein.

Zu der bereits bestehenden Umwelt-Taxonomie sollen im Rahmen des ESG-Reportings noch die Sozial- und die Governance-Taxonomie hinzukommen (ESG = Environmental Social Governance – auf Deutsch Umwelt, Soziales und Unternehmensführung). Was die soziale Taxonomie anbelangt, hat die zuständige Expertengruppe der Europäischen Kommission am 28. Februar 2022 ihren Bericht mit möglichen Kriterien für sozial nachhaltige Investitionen vorgestellt.

Für KMU bedeutet das insgesamt, frühzeitig die Weichen zu stellen, um ab dem 1. Januar 2023 regelkonform berichten zu können. Hilfreich dafür sind folgende Schritte:

1. Analyse der nachhaltigen Geschäftsaktivitäten

Es sollte zunächst der Status Quo untersucht werden. Wo befindet sich das eigene Unternehmen und seine Wirtschaftsaktivitäten in Bezug auf die EU-Ziele? Welche Maßnahmen zum Klima- und Umweltschutz werden bereits umgesetzt?

Merkmale Status Quo Ab 2023 Demnächst
Anzahl ESG-berichtspflichtige Unternehmen Circa 500 (große, kapitalmarktorientierte Unternehmen, Kreditinstitute und Versicherungen) Circa 15.000 (alle Nicht-KMUs) Alle Unternehmen
Besonders betroffene Branchen
  • Banken
  • Versicherungen
  • Investmentgesellschaften
  • Banken
  • Versicherungen
  • Investmentgesellschaften
  • Handel
  • Lager/Logistik
  • IT-Dienstleister/Rechenzentren
  • Telekommunikationsunternehmen
  • Hotels
  • Krankenhäuser/Pflegeeinrichtungen
  • Veranstaltungsstätten
  • Bildungseinrichtungen
Alle Branchen
Gebäudebezogene Hebel zur Optimierung des CO2-Fußabdrucks Energiemanagement (ISO 50001)
  • Energiemanagement (ISO 50001)
  • Optimierte Betriebsführung
  • Flächenmanagement

2. Substantieller Beitrag und keine Schädigung der Umweltziele

Wirtschaftstätigkeiten müssen einen wesentlichen Beitrag zu mindestens einem der sechs Umweltziele der EU leisten. Dazu sollten die eigenen Wirtschaftstätigkeiten auf die drei technischen Screening-Kriterien geprüft werden: ein wesentlicher Beitrag zu den Klima-/Umweltzielen muss geleistet werden, es dürfen keine anderen Ziele erheblich geschädigt werden und soziale Mindeststandards müssen erfüllt werden.

3. Erfüllung sozialer Mindeststandards

Eine regenerative Wirtschaft kann nur aufgebaut werden, wenn die drei Säulen Ökologie, Ökonomie und Soziales ineinandergreifen und dabei Mensch, Natur und Wirtschaft in Balance bringen. Eine wirtschaftliche Tätigkeit kann daher nur dann als Taxonomie-orientiert eingestuft werden, wenn sie auch die Kriterien der internationalen Menschen- und Arbeitnehmerrechte erfüllt. Das bedeutet, dass Geschäftspartner eine Due Diligence durchführen müssen, um negative Auswirkungen auf Klima, Umwelt und Menschen auszuschließen sowie die OECD-Leitsätze, die UN-Leitprinzipien für Menschenrechte und Arbeitsrechtsstandards einzuhalten. Der eigene Code of Conduct sowie derFortschritt umgesetzter Maßnahmen muss im jährlichen Nachhaltigkeitsbericht offengelegt werden.

Der Autor

Dipl. Ing. Christian Wild ist Geschäftsführer der Iconag Leittechnik GmbH in Idar-Oberstein. Seit 25 Jahren arbeitet er mit seinem Team daran, durch den Einsatz offener Technologien wie BACnet, KNX, OPC oder ModBus den Energiebedarf von Gebäuden zu senken und die Betriebsführung im technischen Gebäudemanagement effizienter zu gestalten.

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