Eisspeichertechnologie

Mit Kälte heizen

Text: Dr. Tina Weinberger | Foto (Header): © Viessmann

Durch das Bestreben, bis 2045 einen klimaneutralen Gebäudebestand zu erreichen, werden immer öfter innovative Lösungen zur Beheizung von Gebäuden eingesetzt. Neben den momentan vielfach gepriesenen, geförderten und genutzten Wärmepumpen sind das auch immer mehr sog. Eisspeicherheizungen. Obwohl Heizen und Eis erst einmal widersprüchlich klingen, sind entsprechende Anlagen eine gute, nachhaltige und umweltschonende Art, um Gebäude, Siedlungen oder Neubaugebiete mit Wärme zu versorgen – und, je nach Auslegung, im Sommer auch zu kühlen.

Auszug aus:

GEG Baupraxis
Fachmagazin für energieeffiziente und ressourcenschonende Neu- und Bestandsbauten
Ausgabe November / Dezember 2022
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Basis von Eisspeicherheizungen bilden eine (Sole-)Wärmepumpe und eine im Erdreich vergrabene, mit Wasser gefüllte Zisterne, der sog. Eisspeicher. In Kombination ermöglichen sie eine sinnvolle und gute Nutzung von Wärme im Erdreich, im Wasser und der Umgebungsluft. Im Gegensatz zu vielen anderen Systemen ist dabei auch latente Wärme nutzbar. Dabei meint latent, dass die zu übertragende bzw. nutzende Wärme nicht durch Temperaturunterschiede entsteht, sondern durch einen Phasenübergang. Bei Eisspeichern wird der Phasenübergang des Wassers von flüssig nach fest und umgekehrt genutzt. Sprich, die beim Übergang abgegebene bzw. aufgenommene Wärme wird in einer Wärmepumpe „umgewandelt“ und zum Heizen bzw. Kühlen verwendet. Entwickelt bzw. auf den Markt gebracht wurde die Eisheizung 2005 von Alexander von Rohr. Zuerst als disruptive Transformation im Wärmemarkt bezeichnet, wurden schon 2007 erste Eisheizungsanlagen europaweit patentiert. Seither folgten Weiterentwicklungen und heute arbeiten bereits viele Wärmepumpenhersteller mit Eisspeichertechnologen zusammen.

 

Heizungsherzstück: Speicher

Herzstück und wichtigste Voraussetzung der Eisspeicherheizung ist der Eisspeicher. Weiter sind Wärmetauscher, Solar-Luftkollektoren, ein im Haus installiertes Energiequellenmanagement, eine (Sole-Wasser-)Wärmepumpe sowie ein Warmwasserspeicher nötig. Der Eisspeicher ist meist eine nicht isolierte Betonzisterne, die unterhalb der Frostgrenze (etwa 80 cm) ins Erdreich eingesenkt und mit Wasser, das als Energielieferant dient, gefüllt wird. Alternativ werden auch Kies und Paraffinspeicher eingesetzt. Auf eine Dämmung des Speichers wird verzichtet, um auch die Wärme des umgebenden Erdreichs nutzen und diese dem Inhalt des Speichers zuführen zu können. Innerhalb des Eisspeichers befinden sich zwei spiralförmige Leitungen: eine als Entzugswärmetauscher, die andere als Regenerationswärmetauscher. Seinem Namen entsprechend entzieht der Entzugswärmetauscher Wärme, über den Regenerationswärmetauscher wird Wärme in den Speicher eingebracht. In den Leitungen beider Wärmetauscher zirkuliert eine frostsichere Flüssigkeit (Sole), die der Wärmeübertragung dient. Für einen zusätzlichen Wärmeeintrag in den Speicher können neben dem umgebenden Erdreich auch Solar-Luftkollektoren dienen, die Wärme aus der Luft und der Sonnenstrahlung aufnehmen.

Das elektronische Energiequellenmanagement der Eisheizung sorgt für eine an den Bedarf angepasste Auswahl der Energiequelle. So erkennt das System etwa, ob zu einem bestimmten Zeitpunkt im Luftabsorber oder im Eisspeicher mehr Energie zur Verfügung steht und führt diese dann über ein Drei-Wege-Ventil der Wärmepumpe zu. In der (Sole-Wasser-)Wärmepumpe wird die im Wasser gespeicherte Wärme auf ein technisch nutzbares Temperaturniveau angehoben. Das lässt sich dann zum Heizen oder zur Warmwasserbereitung nutzen. Kann die Wärmepumpe reversibel betrieben werden, ist im Sommer auch Kühlung möglich. Beim Heizen oder zur Warmwasserbereitung wird dem Eisspeicher Energie entzogen. Wird die Wärmepumpe im Sommer zur Kühlung eingesetzt, wird dem Eisspeicher Wärme zugeführt. Genau genommen fungiert der Eisspeicher damit bei einer Eisheizung als Quelle der Wärmepumpe und stellt eine Art Pufferspeicher dar.

Mit der Energie aus einem Liter Wasser

Ist die Eisspeicherheizung im Winter in Betrieb, fördert die Wärmepumpe ein Gemisch aus Wasser und Glykol durch die spiralförmigen Wärmetauscherleitungen im unterirdischen Speicher. Da das Wärmeträgermedium eine geringere Temperatur als das Wasser in der Zisterne hat, kann es dem Wasser Wärme entziehen. Die vom Wasser-Glykol-Gemisch im Entzugswärmetauscher aufgenommene Wärme, sprich thermische Energie, wird dann in der Wärmepumpe (im Verdampfer) an ein Kältemittel übertragen. Dabei verdampft das Kältemittel und wird anschließend in einen meist mit Strom oder Gas betriebenen Verdichter geleitet. In diesem werden der Druck und auch die Temperatur des Kältemittels und damit dessen thermische Energie erhöht. Nach dem Verdichter strömt das Kältemittel zum Verflüssiger. In diesem gibt das Kältemittel Wärme zum Heizen oder zur Warmwasserbereitung ab. Das Kältemittel selbst kühlt sich dabei ab und wird wieder flüssig.

Mit jedem Durchlauf des zyklischen Prozesses sinkt (durch die Wärmeabgabe des Wassers im Entzugswärmetauscher an das Wärmeträgermedium) die Temperatur des Wassers im Speicher weiter ab, bis das Wasser zu vereisen beginnt. Je mehr Wärme abgegeben wird, desto mehr Wasser gefriert. Bei dieser Umwandlung von flüssigem Wasser in Eis wird die sog. Kristallisationsenergie1) abgegeben. Sie entspricht in etwa der Energiemenge, die nötig ist, um einen Liter Wasser von 0 auf 80 °C zu erwärmen und ist damit vergleichsweise groß. In der Praxis bedeutet das, dass ein Eisspeicher mit einem Volumen von 10 m³ die gleiche Energiemenge liefern kann, wie die Verbrennung von 110 Litern Heizöl. Anders ausgedrückt, reichen bei einem Eisspeicher aufgrund der im Gegensatz zu vielen anderen Systemen nutzbaren Kristallisationsenergie kleine Speichervolumina für große Mengen an übertragbarer Wärmeenergie aus.

 

Flüssig und fest im Wechsel

Beim Einfrieren des Wassers ist zu beachten, dass sich Wasser im festen Aggregatzustand ausdehnt. Aus diesem Grund müssen die innen liegenden Spiralen so verlegt sein, dass das Wasser von innen nach außen gefriert und die Zisterne nicht beschädigt wird oder sogar platzt. Ein weiterer wichtiger Punkt: Wäre das gesamte Wasser im Speicher vereist, wäre keine weitere Wärmeabgabe an das Wärmeträgermedium möglich und die Leistung der Wärmepumpe würde abfallen. Um das zu vermeiden und den Eisspeicher dauerhaft effizient zu betreiben, muss der Behälter immer wieder regeneriert, sprich das Eis aufgetaut, werden. Mittel zum Zweck ist hier u. a. der Regenerationswärmetauscher, über den Wärme in den Speicher eingebracht werden kann. Bei warmen Außentemperaturen gelangt zudem die Wärme des umliegenden Erdreichs in den Speicher. Zusätzlich kann Wärme aus einem Solar- Luftkollektor eingebracht werden. Bei diesem wird die Wärmeenergie aus der warmen Luft der Umgebung per Umwälzpumpe über den Regenerationswärmetauscher in den Eisspeicher geleitet und das Auftauen des gefrorenen Wassers unterstützt. Alternativ oder zugleich ist auch die Nutzung von Abwärme aus Lüftungsanlagen oder Produktionsprozessen möglich. Beides ist umso effizienter, je besser die Größe des Eisspeichers an die Bedingungen angepasst ist. Ist das Wasser im Speicher wieder flüssig und regeneriert, lässt sich der Kreislauf beliebig oft wiederholen.

Einer der Vorteile der Eisspeichertechnologie ist der umweltfreundliche und CO2-neutrale, aber auch sichere, effiziente und kostensparende Betrieb. Da die genutzten Wärmequellen (Umgebungswärme, Erdwärme, Sonnen- und Kristallisationsenergie) gratis zur Verfügung stehen, ist eine Betriebskostenersparnis von bis zu 50 Prozent möglich – sowohl beim Heizen als auch beim Kühlen. Wobei Letzteres aufgrund der steigenden mittleren Erdtemperaturen von zunehmender Wichtigkeit und einer der weiteren großen Vorteile von Wärmepumpen im Vergleich zu herkömmlichen Heizsystemen ist. Dient bei Sole-Wasser-Wärmepumpen ein Eisspeicher statt einer Tiefenbohrung als Wärmequelle, sind je nach Größe des Eisspeichers und der Tiefe der ansonsten auszuführenden Bohrung (oft über 100 m) auch Einsparungen bei den Anfangsinvestitionen möglich. Konkretes ist jedoch im Einzelfall zu prüfen. Eisspeicher sind im Gegensatz zu Erdbohrungen i. d. R. nicht genehmigungspflichtig, oft förderfähig2) und bergen keinerlei Umweltgefahr. So können Eisheizungen auch ohne Bedenken in Grundwasserschutzgebieten betrieben werden. Weiterhin sind Eisspeicher eine gute Möglichkeit, um auch an Orten, an denen eine Tiefenbohrung oder flächig verlegte Erdkollektoren nicht möglich oder erlaubt sind, eine Sole-Wasser-Wärmepumpe zu betreiben. Da diese im Betrieb einen besseren Wirkungsgrad haben als Luft-Luft- oder Luft-Wasser-Wärmepumpen, sind Eisheizungen auch hier ein Schritt in Richtung Klimaneutralität und einer besseren Effizienz.

Weitere Gründe, die für Eisspeicher sprechen, sind das Befüllen eines Eisspeichers mit normalen Wasserleitungen (was keinerlei Transportkosten für das Speichermedium bedeutet), der wartungsarme Betrieb sowie die sehr langen Laufzeiten aufgrund des beliebig oft wiederholbaren Regenerationsprozesses (ohne Einbußen in der Systemeffizienz). Beides ist in Zeiten eines immer größer werdenden Mangels an Fachkräften und insbesondere Handwerkern nicht zu unterschätzen. Statt langer Warte- und ggf. auch Ausfallzeiten durch an- oder ausstehende Wartungsarbeiten bieten Eisspeicher ein gewisses Maß an Sicherheit und Unabhängigkeit. Auch in puncto Stromversorgung. So lässt sich etwa durch die Kombination eines Eisspeichers und einer Sole-Wasser-Wärmepumpe mit einem Batteriespeichersystem und einer effektiven Solaranlage ein hoher Autarkiegrad bei der Stromversorgung erzielen. Werden als Solaranlagen hybride Solarzellen eingesetzt, meist PVT-Zellen genannt, kann deren Wirkungsgrad in Kombination mit einem Eisspeicher im Sommer im Vergleich zu ungekühlten Zellen um bis zu 30 Prozent gesteigert werden. Grund ist, dass PVT-Zellen mithilfe der Kälte aus dem Eisspeicher auf der Rückseite gekühlt werden können. Im Gegensatz zu gewöhnlichen Solarzellen, bei denen der Widerstand mit steigender Temperatur zunimmt und den Stromertrag mindert, bleibt dadurch die Leistung der Zellen (fast) gleich. Und im Falle eines Falles ist die Entsorgung des Wärmeträgermediums in einem Eisspeicher (i. d. R. reines Wasser) einfach und problemlos möglich.

 

Kein Licht ohne Schatten

Dem gegenüber stehen hohe Investitionskosten, ähnlich wie bei Sole-Wasser-Wärmepumpen, deren Wärmequelle eine Tiefenbohrung oder ein flächig verlegter Erdwärmetauscher ist. Konkrete Zahlen hängen von der Größe ab und sind derzeit wegen stark schwankender Preise nicht verlässlich anzugeben. Im Fall eines Eisspeichers gehen die hohen Investitionen meist Hand in Hand mit einem größeren Montage- und Installationsaufwand. Zwei weitere zu beachtende Aspekte sind die Lieferbarkeit eines Eisspeichers sowie die Größe des Grundstücks. Die Lieferbarkeit sollte vor dem Beginn eines Bauvorhabens geprüft werden. Das Grundstück muss ausreichend groß sein, um einen Eisspeicher vergraben und installieren zu können. Sind die grundlegenden Voraussetzungen für eine Eisspeicherheizung erfüllt, ist im Einzelfall abzuwägen, ob solche eine Anlage die richtige oder individuell beste Lösung ist. Wegen der o. g. Vorteile in puncto Kosten, Nachhaltigkeit, der Nutzung kostenloser und umweltfreundlicher Energiequellen und dem (fast) CO2-neutralen Betrieb, ist das immer öfter der Fall, und so werden in den letzten Jahren vermehrt Eisspeicherheizungen zum Heizen und Kühlen von Gebäuden und ganzen Siedlungen eingesetzt.

 

Einsatz im EFH und MFH

Voraussetzung für den Einsatz einer Eisspeicherheizung ist dabei in allen Fällen ein möglichst hoher Dämmstandard der versorgten Gebäude sowie eine möglichst geringe Vorlauftemperatur der Heizung. Eine niedrige Vorlauftemperatur bedeutet eine geringe Leistung des Verdichters (der Wärmepumpe), damit einen geringeren Strom- oder Gasverbrauch und eine bessere Effizienz des Systems. Die bessere Effizienz zeigt sich u. a. an einer höheren Jahresarbeitszahl (JAZ). Die JAZ gibt das Verhältnis zwischen zugeführter Energie und der tatsächlich erzeugten Heizungswärme über die Dauer eines Jahres wieder. Zur Realisierung geringer Vorlauftemperaturen werden in der Praxis gerne Flächenheizsysteme, wie Fußboden-, Decken- oder Wandheizungen, gewählt. Aufgrund deren großer Übertragungsflächen lassen sich damit große Wärmemengen auch mit geringen Systemtemperaturen übertragen. Eine gute Wärmedämmung sorgt dafür, dass die in einen Raum eingebrachte Wärme nicht direkt wieder verloren geht. Werden Eisspeicherheizungen in einem Ein- oder Zweifamilienhaus eingesetzt, muss im Außenbereich ausreichend Platz für den Speicher miteingeplant werden. Wenn möglich, sollte der Bereich oberhalb des Eisspeichers nicht überbaut werden. Alternativ bietet sich bei Betonzisternen mit einem geringen Durchmesser (unter 3 m) auch der Einfahrtsbereich an. Da sich beim Auftauen des Eises das um den Speicher liegende Erdreich abkühlt, besteht dadurch keine Gefahr, dass kälteempfindlichere Pflanzen Schaden nehmen. Für die dazugehörige Sole-Wasser-Wärmepumpe ist im Technikraum der für eine Wärmepumpe typische Platzbedarf einzurechnen. Er entspricht in etwa den Maßen eines großen Kühlschranks, wenn Wärmepumpe, Speicher & Co. in einer Einheit zusammengefasst sind.

 

Eisspeicher-Siedlungen und eisgekühlte Innenräume

Auch für gesamte Neubaugebiete und Siedlungshäuser sind Eisspeicherheizungen eine gute, nachhaltige Art, Wärme (und bei entsprechender Auslegung und Auswahl der Wärmepumpe auch Kälte) in die Innenräume zu bekommen. Basis ist typischerweise ein sehr großer Eisspeicher, an den alle Gebäude einer Siedlung angeschlossen sind. Die in den Häusern stehenden Sole-Wasser-Wärmepumpen können so den Speicher als Wärmequelle für Heizung, Warmwasserbereitung und ggf. Kühlung nutzen. Analog zu Gebieten oder Siedlungen mit einem Nah- oder Fernwärmenetz geht in „Eisspeicher-Siedlungen“ mit dem Neubau eines Gebäudes i. d. R. die Verpflichtung einher, den Eisspeicher zu nutzen. Zum einen als Wärmequelle, um mithilfe der Wärmepumpe zu heizen und/oder Warmwasser zuzubereiten. Zum anderen, um abzugebende Wärme dem Speicher zur Regeneration zur Verfügung zu stellen. Weitere Einsatzgebiete der Eisspeicherheizung sind gewerbliche Gebäude, Hotels, Büros, Industrie- und große Wohnimmobilien (bis zu 20 kW Heizlast).

Im Stuttgarter Stadtarchiv in Bad Cannstatt sorgt z. B. die Kombination eines unterirdischen Eisspeichers (mit 400 m³) und einer gasbetriebenen Absorptions-Wärmepumpe (mit 140 kW) für eine sichere Aufbewahrung der in 9.000 laufenden Regalmetern gelagerten Archivalien. Im Vergleich zu Menschen sind Dokumente, Bücher, Urkunden und Datenträger sehr anspruchsvolle „Nutzer“, die eine ganzjährlich konstante Temperatur von 18 °C und eine relative Feuchte von 55 Prozent benötigen. Diese Bedingungen und die Ausregelung des Außentemperatureinflusses lassen sich nur mit hohem baulichem und technischem Aufwand erzielen. Durch den Einsatz der Eisspeicherheizung werden im Vergleich zu einem Gaskessel mit konventioneller Kältemaschine jährlich rund 55 Tonnen CO2 und 30 Prozent Energiekosten eingespart.

Auch im Sternenberger Hof, einer Klimaschutzsiedlung in Köln-Porz, dient ein unterirdischer Eisspeicher (mit 1,2 Mio. Litern) zum ökologischen Heizen von 112 Wohnungen. Statt Öl oder Gas werden zum Heizen Sonnenlicht, Luft und Erdwärme genutzt. Der Eisspeicher fungiert als Speicherort für die Wärmeenergie, die auf dem Dach und aus dem umgebenden Erdreich eingesammelt wird. Im Winter kann damit geheizt, im Sommer gekühlt werden. Für Letzteres werden in die Wärmepumpe integrierte Hydraulik-Komponenten über das Energiequellenmanagement aktiviert und damit die Funktion der Wärmepumpe umgekehrt. Dementsprechend wird Wärme aus den Räumen ab- und dem Eisspeicher zugeführt (= Natural Cooling). Die Entscheidung für eine Eisspeicherheizung fiel u. a. deshalb, weil die wasserrechtlichen Genehmigungen für eine Grundwasser-Wärmepumpe zu schwierig waren. Die Sparsamkeit der eingesetzten Technik ist ein weiterer Grund. So braucht das Eisspeichersystem nur einen Bruchteil der Energiemenge, die eine herkömmliche Heizung verschlingen würde – egal, ob diese mit Pellets, Erdgas, Öl oder Kohle betrieben wird. Besonders im laufenden Betrieb sind die Energiekosten geringer, da Außenwärme als Heizmittel permanent gratis zur Verfügung steht. Neben erheblichen Energiekosten spart die Klimaschutzsiedlung gegenüber vergleichbaren Gebäuden auch CO2-Emissionen von etwa 50 Prozent ein und ist damit ein Wegweiser in Richtung klimaneutraler Quartiere.

Ein noch größerer Eisspeicher – patentiert von Viessmann – ist seit 2019 in Wien im Einsatz. Hier nutzt Ikea Österreich für sein damals neu errichtetes zweigeschossiges Lager im 21. Bezirk erneuerbare Energien, um die insgesamt 50.000 m² Nutzfläche nachhaltig zu temperieren. Geplant hat das TGA-Konzept die TBH Ingenieur GmbH gemeinsam mit der Ing. Pischulti GmbH und Viessmann. Der dabei zum Einsatz kommende Eisspeicher ist 6 m hoch und fasst mit einem Durchmesser von 19 m 1.700 m³. Insgesamt sind 23 km Entzugswärmetauscher-Rohre mit einer Leistung von 832 kW in dem Betonspeicher verbaut. Über vier Ringleitungen wird Regenerationsenergie und Abwärme des Gebäudes in den äußeren Regenerationswärmetauscher eingebracht. Die Anlage versorgt eine Wärmepumpenanlage im Keller, die zur Heizung und Kühlung des Logistikzentrums dient. Sie umfasst zwei Grundwasser-Wärmepumpen (Vitocal 350-G Pro S), die per Hydrothermie gespeist werden, und zwei Sole-Wasser-Wärmepumpen (Vitocal 350-G Pro S), die der Groß-Eisspeicher in Kombination mit 172 unverglasten Solar-Luft-Kollektoren versorgt. Beide Wärmepumpen bedienen einen zentralen Energiespeicher, der zur Spitzenlastreduktion und als Lastausgleichspeicher für Energieüberschüsse dient. Die Kühlung erfolgt über einen Plattenwärmetauscher, der mit dem Regenerationswärmetauscher im Eis-Energiespeicher verbunden ist. Es kann sowohl durch Natural Cooling als auch durch Active Cooling gekühlt werden.

 

Fazit

Eisspeicher(heizungen) bieten sich insbesondere bei wärmegedämmten Neubauten an, sind jedoch auch bei Sanierungen relevant, wenn bestimmte Voraussetzungen (bspw. ausreichend Platz für den Eisspeicher im Außenbereich und die Wärmepumpe im Technikraum, ein hoher Dämmstandard, flächige Heizsysteme) erfüllt sind. In Kauf zu nehmen sind höhere Investitionskosten und ein höherer Montageaufwand, der jedoch durch einen umweltfreundlichen und kostengünstigen Betrieb sowie ein komfortables Heizsystem wettgemacht werden. Trotz zahlreicher Vorteile ist in jedem Fall zu beachten, dass Eisspeicher keine Standardlösung sind. Daher sollte und muss jedes System inkl. Wärmepumpe, evtl. Solarthermie und weiterer Wärmesonden individuell geplant werden.

1) Beim Erstarren von Wasser, sprich dem Phasenübergang von flüssigem Wasser zu festem Eis (bei 0 °C), wird etwa so viel Wärme frei, wie zum Erwärmen derselben Menge Wasser von 0 auf 80 °C benötigt wird. Die sog. spezifische Phasenumwandlungsenthalpie ist im Vergleich zur spezifischen Wärmekapazität relativ hoch. So liegt bspw. die Schmelzenthalpie von Wasser bei 334 kJ/kg, die spezifische Wärmekapazität bei nur etwa 4,19 kJ/kg (also etwa 1/80). Dementsprechend ist die Energiedichte eines Eisspeichers im Vergleich zu einem Heißwasserspeicher viel größer. So wird bei der Abkühlung von 1l Wasser um 1 °C (bzw. Kelvin) 1,163 Wh Energie frei. Bei der Vereisung von 1l Wasser (bei nahezu konstant 0 °C) werden weitere 93 Wh/(kgK) von der Wärmepumpe nutzbare Kristallisationsenergie frei.

2) Informationen zu aktuellen Förderungen sind abrufbar unter dem Shortlink  bit.ly/3qS3NlT

Eisspeicher nutzen u. a. die Energie, die beim Wechsel des Aggregatzustands (vom Wasser bzw. Eis) an die Sole und damit an die Wärmepumpe abgegeben werden. Voraussetzung ist, dass der Inhalt des Speichers mit einem Medium gefüllt ist, dass seinen Aggregatzustand ändern kann. Neben Wasser – dem gängigsten Medium – werden weitere sog. „Phase-Changing-Materials“, wie etwa Salzhydrat oder Paraffin, eingesetzt. Analog zum Wasser können sie ihren Aggregatzustand ändern und geben dabei Energie ab. Der Vorteil von Salzhydraten oder Paraffin ist die im Vergleich zu Wasser höhere Energiedichte (rund 120 kWh/m³ im Vergleich zu 80 kWh/m³ (Eis) bzw. 20 kWh/m³ (Wasser)). Durch die höhere Energiedichte reichen geringere Volumina und kleinere Speicher, um denselben Energieertrag zu ermöglichen.

Der Autor

Dr. Tina Weinberger Dipl.-Ing. (Maschinenbau/Energietechnik),
Fachjournalistin, Kontakt: www.tina-weinberger.de

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