RLT- und Lüftungsanlagen

Sanieren und regelmäßig Reinigen statt Demontieren

Text: Dr. Tina Weinberger und Jörg Mez | Foto (Header): © HBL Haidinger

Obwohl die regelmäßige Reinigung der Luftleitungssysteme von RLT- und Lüftungsanlagen vorgeschrieben ist, wurde sie bisher oft vernachlässigt. Die Folgen sind Anlagen, die in puncto Gesundheit, Energieeffizienz, Betriebskosten und Brandschutz irgendwann so bedenklich sind, dass sie saniert oder de- und neu montiert werden müssen. Warum und unter welchen Voraussetzungen in der Praxis eine Sanierung die wirtschaftlichere Lösung ist, zeigt ein entsprechendes Beispiel aus der Praxis.

Auszug aus:

GEG Baupraxis
Fachmagazin für energieeffiziente und ressourcenschonende Neu- und Bestandsbauten
Ausgabe September / Oktober 2021
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Werden Lüftungs- und Klimaanlagen i. d. R. ordnungsgemäß geplant, installiert und in Betrieb genommen, wird deren regelmäßige Reinigung immer noch oft vernachlässigt – obwohl die DIN EN 15780, die Arbeitsstättenverordnung und die Betriebssicherheitsverordnung anderes fordern.

Eine der negativen Folgen fehlender Reinigung sind Keime, Pilze, Schadstoffe und Viren, die sich im Betrieb innerhalb kurzer Zeit auf den Oberflächen der Luftleitungssysteme ansammeln. Strömt saubere Frischluft darüber, können sich die Verunreinigungen lösen und mit Viren, Keimen und Staub belastete Luft strömt in die Innenräume ein. Das Ergebnis sind häufig hygienische und gesundheitliche Probleme sowie ein höherer Reibungswiderstand und daraus resultierend höhere Betriebskosten, eine geringere Energieeffizienz sowie ein Druckabfall. Letzterer bedingt eine geringere Luftwechselrate mit der Folge eines schlechteren Raumklimas. Bereits 10 Prozent weniger Luftwechsel reicht aus, um ein gesundes in ein schlechtes Raumklima zu verwandeln. Zudem stellen die Verunreinigungen – insbesondere bei Küchen und fettbelasteter Abluft – potenzielle Brandherde dar. Alles in allem führt eine fehlende regelmäßige Reinigung von RLTund Lüftungsanlagen früher oder später dazu, dass im Betrieb Probleme auftreten, die eine Instandsetzung oder Neuinstallation erforderlich machen.

 

Anamnese als erster Schritt

Soll entschieden werden, welche Option die bessere ist, spielen der Zustand der Luftleitungssysteme (z. B. Oberflächenund Abnützungszustand, Hygiene, Instandhaltung), die Energieeffizienz, die Zugänglichkeit, das Alter (Ventilatoren, RLT-Gerät, Luftleitungen), aber auch die Anforderungen an die bisherigen und künftigen Bedingungen (Luftwechselrate, Luftfeuchtigkeit, Brandschutz) eine entscheidende Rolle. So beschreibt Wolf Rienhardt, selbstständig tätig für Planung, Training, Beratung in der HLKS-Technik und Mitglied im Deutschen Fachverband für Luft und Wasserhygiene (DFLW), die „Anamnese“ einer Luftleitung folgendermaßen: „Den Begriff Anamnese kennen wir aus der Humanmedizin. Sie ist ein systematisches Verfahren zum Erfassen und Dokumentieren des gesundheitlich relevanten Zustands und der medizinischen Vorgeschichte eines Patienten. Sie dient einer eindeutigen Diagnoseerstellung als Grundlage für die medizinische Behandlung. Analog dazu sollten wir in der Technischen Gebäudeausrüstung (TGA) vorab der Durchführung von Maßnahmen zur Instandsetzung, Sanierung oder Erneuerung von RLT-Bestandsanlagen oder deren Systemen, wie Luftleitungssystemen, den technischen Zustand und den Nutzungsbedarf, systematisch durch eine Inspektion feststellen, bewerten und dokumentieren. Aus der Bewertung ist eine Empfehlung für die Maßnahme abzuleiten. Die Inspektion umfasst dabei die Zustands-, Funktions- und technische Prüfung in Form von Funktionsmessungen, zu denen auch die Dichtheitsprüfung von Luftleitungssystemen gehört. Grundlage für die Inspektion ist – soweit vorhanden – die Revisionsdokumentation als Biografie der RLT-Bestandsanlage.“

Wegweiser: Wirtschaftlichkeit

Lässt sich die Zustands- und Funktionsprüfung bspw. bei Wärmetauschern oder Ventilatoren relativ einfach durchführen, sind bei Luftleitungssystemen viele Faktoren zu berücksichtigen. So ist z. B. zu prüfen, ob die bisherige Auslegung, sprich die bei der Planung angesetzte Mindestluftwechselrate und die darauf basierenden Dimensionen der Leitungen, auch zu den künftigen Anforderungen passen. Die Abnützung der Oberflächen, Dichtungen, Vorlegebänder, der Zustand der Oberflächen in puncto Fettablagerungen und die verbleibende rechnerische Nutzungs- bzw. Lebensdauer (diese ist in der VDI 2067 Blatt 1 für Luftführungen und -kanäle mit 30 Jahren angegeben) ist zu untersuchen. Passen die Dimensionen der Leitungen, sind die Abnützung und Fettablagerungen gering und die rechnerische Lebensdauer ausreichend hoch – wie sehr häufig –, ist prinzipiell eine Instandsetzung ebenso möglich wie eine Neuinstallation. Die betriebswirtschaftlich eindeutige Lösung lautet in aller Regel Instandsetzung, wie eine vereinfachte Aufwands- und Kostenabschätzung für ein Luftleitungssystem von 1.000 m² (das entspricht etwa 300-400 lfm) aufzeigt.

Zeitbedarf
• Neuinstallation: ca. 52 Tage (10,5 Arbeitswochen) für 20 Arbeitsschritte
• Instandsetzung: ca. 9 Tage (zwei Arbeitswochen) für sechs Arbeitsschritte
→ 8,5 Wochen weniger Personalkosten

Personalkosten (angenommener Stundensatz von 50 Euro)
• Neuinstallation: 52 Tage à acht Stunden = 20.800 Euro
• Instandsetzung: neun Tage à acht Stunden = 3.600 Euro
→ Ersparnis von ca. 17.200 Euro (bei 60 Euro Stundenlohn ca. 20.600 Euro)

Materialkosten Luftleitung (angesetzter Preis von 50 Euro/m² Luftkanal (inkl. Formteile))
• Neuinstallation: 1.000 m² = 50.000 Euro
• Instandsetzung: 0 Euro
→ Ersparnis von ca. 50.000 Euro

Kosten Instandsetzung (Reinigung) und Abdichtung)
• Neuinstallation (Annahme einer Dichtheitsprüfung, ggf. Reinigung und Abdichtung von zehn Prozent gem. DIN EN 12599): 100 m² = 550 Euro
• Instandsetzung: 1.000 m² = 5.500 Euro
→ Mehraufwand: ca. 4.950 Euro

 

90 Prozent weniger Kosten und dichte Systeme

Ohne die Berücksichtigung von Kosten, die durch Entsorgung, Transport, Logistik, Zwischendecken, Wanddurchbrüche, Einregulierung und ggf. einen Produktionsausfall von knapp drei Monaten entstehen, liegen die Kosten einer Neuinstallation von 1.000 m² Luftleitung (nur für Personal und Luftleitungen) meist bei mindestens 70.000 Euro. Die Kosten einer Instandsetzung belaufen sich hingegen in der Praxis meist auf etwa zehn (bis maximal 20) Prozent der Gesamtsumme. Zugleich bedeutet eine Instandsetzung erheblich weniger Ausfallzeiten, nahezu keine Eingriffe in die Bausubstanz und eine garantierte gute Dichtheit des Luftleitungssystems. Wesentlicher Arbeitsschritt einer Instandsetzung ist nämlich die Abdichtung des Luftleitungssystems. Wird dieses z. B. mit dem aktuell mehrfach geförderten Aeroseal-Verfahren durchgeführt, ist Dichtheitsklasse C, D oder besser (ATC 3 bis 1) kein Problem.

Bei einer Neuinstallation sind Undichtigkeiten hingegen unvermeidlich, eine Abdichtung des gesamten Luftleitungssystems wird bisher aber nur in Einzelfällen durchgeführt. Die Folge sind Effizienzeinbußen und unnötig hohe Betriebskosten, wie sich beispielhaft an der EBEWE Pharma in Österreich zeigen lässt. Dort konnte innerhalb von drei Tagen – inklusive Auf- und Abbau – die Leckage von 103 l/s (= Dichtheitsklasse A bzw. ATC 5) auf 2,5 l/s (= Dichtheitsklasse D bzw. ATC 2) reduziert werden. Durch die um 97,5 Prozent verringerte Leckagerate ließ sich die Effizienz der Lüftungsanlage so steigern, dass die erwarteten Energieeinsparungen bei etwa 27.000 kWh pro Jahr liegen und eine Amortisationszeit von zwei bis drei Jahren bedeuten. Eine Demontage und Neuinstallation hätte einen Stillstand und Ausfall der Produktion von mindestens zwei bis drei Monaten mit Umsatzeinbußen im mehrstelligen Millionenbereich bedeutet und wäre wirtschaftlich untragbar gewesen.

 

Oberstes Gebot: Reinigung und Zugänglichkeit

Werden RLT- und Lüftungsanlagen nach der Sanierung und Abdichtung bzw. nach einer Neuinstallation oder einem Neubau (wieder) in Betrieb genommen, ist eine regelmäßige Reinigung das A und O, um weitere Ausfälle der Anlagen zu vermeiden. Um diese möglichst einfach durchführen zu können, sollten bei der Planung insbesondere die Zugänglichkeit der Einbauten und der Luftleitungssysteme berücksichtigt werden. Beispielsweise wären Heiz- und Kühlregister so zu planen, dass sie beidseitig zugänglich sind, Tropfenabscheider sollten ausbaubar sein, um Kondensatwannen und Tropftassen reinigen zu können. Luftleitungssysteme sollten möglichst nicht unter Rigipsdecken oder in schlecht zugänglichen Schächten, Ecken, Zwischendecken etc. verlegt sein. Empfehlenswert sind – wo immer möglich – offen verlegte Luftleitungskanäle, Steigleitungen mit Zugängen in den Zwischengeschossen, abgehängte OWA-Decken (Odenwalddecken) und zusätzlich, wie in der VDI 6022 vorgeschrieben, ausreichend Revisionsöffnungen. Da die Richtlinie weder Mindestanzahl noch Maximalabstand definiert, empfiehlt sich ein Blick in die Praxis. Entsprechend der Wellenlängen typischer Reinigungsgeräte (z. B. von LIFA Air), die auch der Länge dem von einer Öffnung aus zu reinigendem Luftleitungsabschnitt entspricht, wäre ein Abstand der Revisionsöffnungen von etwa 30 m zu empfehlen.

Werden all diese Punkte berücksichtigt, ist die Dienstleistung Lüftungsreinigung immer noch kein einfaches Gewerk. Es geht darum, ein Erzeugnis zu säubern, das ein Gesamtprodukt diverser Hersteller und Dienstleister (z. B. Planer, Spediteur, Installateur, Trockenbauer) ist und bei dem die Versäumnisse aus Planungs-, Liefer-, Lager-, Montage- und Bauphase zusammenlaufen.

 

Endlich ein Standard für die Branche

Während die Leistungen von Planer, Monteur und Co. genau definiert und per Ausbildung erlernbar sind, ist das verrückterweise bei der nach DIN EN 15780 vorgeschriebenen Lüftungsreinigung nicht der Fall. Statt einem standardisierten Skript, das als Lehrbasis dient, müssen Lüftungsreiniger ihre Kenntnisse aus der Erfahrung sammeln. Sprich: Eine Tätigkeit, die höchste Ansprüche an die ausführenden Unternehmen stellt, muss beim Kunden erlernt werden. Um das zu ändern und Lüftungsreinigern eine Grundlage in Form technischer Regelwerke und Vorgaben an die Hand geben zu können, wird aktuell der erste technische Standard für die Dienstleistung Lüftungsreinigung ausgearbeitet.

Ergebnis der deutsch-österreichischschweizerischen Zusammenarbeit wird das neue Blatt 8 der Richtlinienreihe VDI 6022 sein, dessen Veröffentlichung Anfang 2022 als Weißdruck unter der Bezeichnung VDI/ÖFR/SWKI 6022 Blatt 8 „Lüftungsreinigung“ geplant ist. Ab dann wird erstmals ein technisches Regelwerk für die Dienstleistung Lüftungsreinigung vorliegen, die Auftraggebern und Auftragnehmern als standardisierte Basis für eine zielführende und seriöse Zusammenarbeit dienen kann. Vor allem aber stellt das neue Regelwerk, das auf dem Grundlagenpapier RSOE 6000 des ÖFR (Österreichischer Fachverband für Raumlufttechnik) basiert, für Planer und Bauherren eine dringend benötigte „Hilfestellung“ dar. Eine Hilfestellung für eine Leistung, die seit Langem erbracht werden muss, für die es aber bislang weder Regelwerke noch eine Anleitung für ein Reinigungskonzept gab, das im Zuge der Planungsphase erstellt und in der Betriebsphase konsequent umgesetzt werden soll.

 

Sensibilisierung für Raumlufttechnik

Eine daraus folgende Konsequenz ist, dass sich am Markt der Irrglaube etabliert hat, dass erschwerte Bedingungen für den Lüftungsreiniger vom Planer verursacht werden. Das entspricht jedoch meist nicht der Wahrheit. Meist sind schlecht zugängliche und damit schwieriger zu reinigende RLTund Lüftungsanlagen das Ergebnis einer Reihe von Versäumnissen in der Bauphase. Verursacher sind i. d. R. die Bauaufsicht habende Generalunternehmer oder Bauherren, die der Raumlufttechnik eine untergeordnete Rolle zusprechen und sich damit wenig um ein durchgängig sachgemäßes Handling kümmern.

Das zu ändern, und Generalunternehmer sowie Bauherren für das Thema Raumlufttechnik und deren Stellenwert in Bezug auf Hygiene, Brandschutz, Energieeffizienz und Betriebskosten zu sensibilisieren, wäre daher ein wichtiger Punkt. In Schulungen gemäß VDI 6022 Kat. A bzw. Schulungen gemäß RSOE 6000 werden Kenntnisse zum Thema „Instandhaltung und Reinigung von RLT-Anlagen“ vermittelt. Diese können z. B. Planer bei Auftraggebern nutzen, um die unvermeidbaren Konsequenzen aufzuzeigen, die sich ergeben, wenn die Forderungen der Richtlinie VDI 6022 Blatt 1 in puncto Hygiene der lufttechnischen Komponenten missachtet werden.

Sind der Bauaufsicht die negativen Auswirkungen eines nicht sachgemäßen Handlings lufttechnischer Komponenten bewusst (z. B. müssten lüftungstechnische Komponenten, angefangen bei der Lieferung auf die Baustelle über die Lagerung und Montage bis zur Endabnahme, mittels sorgfältig abgeklebter Öffnungen sicher vor Schmutz, Dreck und Staub geschützt werden), steigt die Wahrscheinlichkeit, dass das Budget für eine kompromisslose Erfüllung der in der Richtlinie VDI 6022 Blatt 1 enthaltenen Forderungen freigegeben wird. Zugleich ist davon auszugehen, dass Bauherren dann eher von allen am Gewerk RLT- oder Lüftungsanlage Mitwirkenden die Einhaltung der VDI 6022 einfordern.

 

Mund auf für dichte Luftleitungen

Ein wichtiger Punkt ist auch die Abkehr von einer bisher oft eher kommunikationsarmen Überlassung oder Übergabe einer an der RLT- oder Lüftungsanlage (vollbrachten) Leistung an Unternehmen, die darauf aufbauend weitere Leistungen erbringen müssen. Statt einer Übergabe à la „Stille-Post“, die in der Praxis zu RLT- und Lüftungsanlagen führt, die nicht der Planung entsprechen, sollte die Bauleitung oder ein speziell dafür vorgesehener Experte dafür Sorge tragen, dass sämtliche Gewerke und Beteiligten offen miteinander kommunizieren und zusammenarbeiten. Idealerweise übernimmt der Experte (oder die Bauleitung) auch die Koordination aller am Gewerk Raumlufttechnik Beteiligter, wie Planer, Spediteure, Installateure, Monteure, Trockenbauer etc. So ließe sich vermeiden, dass sich einzelne Dienstleister aufgrund einer mangelnden Koordination und Kommunikation gegenseitig torpedieren oder die Schuld an Versäumnissen zuschieben, die oft erst während des Betriebs erkannt werden. Stattdessen würde der Koordinator und Hauptverantwortliche den gesamten Prozess, von der Planung bis zur Übergabe der RLT-Anlage, interdisziplinär begleiten, die „Zwischenergebnisse“ kontrollieren und von allen am Prozess Beteiligten die Verantwortung für ihren Beitrag am Gesamtwerk RLT- oder Lüftungsanlage einfordern. Potenzielle Mängel könnten so früher erkannt werden und kämen nicht erst während der Betriebsphase bzw. der Instandhaltung oder Lüftungsreinigung zum Vorschein. Werden alle Schritte zusätzlich in einer Baudokumentation festgehalten, wäre diese eine gute Grundlage für die Anamnese eines Luftleitungssystems und könnte bei der Endabnahme zusammen mit sauberen RLT- oder Lüftungsanlagen dem Bauherren übergeben werden.

Die Autoren

Dr. Tina Weinberger
Dr.-Ing. (Maschinenbau/Energietechnik)

Jörg Mez
Geschäftsführer der MEZ-Technik GmbH

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